Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
Archäologen waren noch immer bei
der Arbeit. Shandy und seine Begleiterinnen konnten sie im Licht von ein paar
Scheinwerfern, die offenbar aus dem College stammten, arbeiten sehen. Sie
hatten in der Zwischenzeit allerdings nur lächerlich wenig zustande gebracht,
wenn man bedachte, daß sie immerhin den ganzen Tag gegraben hatten. Thorkjeld
Svenson sah immer noch frisch aus, doch seine Gefährten machten den Eindruck,
als seien sie bereit, jeden Moment ihre Werkzeuge niederzulegen.
    Sieglinde nickte Helen zu. Helen
blinzelte zurück. Beide ließen daraufhin ihre Rösser in einen scharfen Galopp
fallen und stürzten hinunter zum Runenstein, wobei sie laut den Wagnerianischen
Ruf »Ho-jo-to-ho!« ausstießen.
    »Mein Gott, er hat Brünhilde auf uns
gehetzt!« schrie der ältere Archäologe auf und wich entsetzt zurück.
    »Ich — ich bin mir nicht sicher, ob es
—«
    Dem jüngeren Archäologen versagte die
Stimme, als er sah, wie Thorkjeld Svenson die streitbare Wikingerkönigin aus
dem Sattel hob, sie heftig und lange küßte und dann zu brüllen begann wie
Boreas inmitten der Kiefern Norwegens in einer Januarnacht.
    »Sie — Sie kennen diese — diese
Göttin?«
    »Hölle auch, das werde ich wohl«,
röhrte der Präsident, »immerhin schlafe ich seit 34 Jahren mit ihr.«
    »Als legal angetrauter Ehegatte«, fügte
Sieglinde spitz hinzu. »Ich bin die Frau von Präsident Svenson. Nett, Sie
kennenzulernen. Ich habe nur meine Haarnadeln verloren, weil Odin so schnell
gelaufen ist.«
    »Ich hoffe, Sie wissen Ihr Glück zu
schätzen, meine Herren; meine Frau rapunzelt noch lange nicht für jeden.«
    Svenson lachte noch immer, als er die
glänzende Haarpracht in seinen großen Händen wog. »Hier sehen Sie das reinste
Wikingergold, das Sie je sehen werden.«
    Sieglinde rettete ihren Schopf und
drehte sich einen Nackenknoten. »Thorkjeld, hättest du dir nicht wenigstens
vorher den Kompost von den Händen wischen können? Doch leider hast du mit dem,
was du gerade gesagt hast, völlig recht. Hier liegt kein Wikingerschatz, meine
Herren, nur Belial Buggins.«
    »Was?« brüllte der Präsident.
    »Es tut mir unendlich leid«, sagte
Helen, »aber ich habe es in seinen Tagebuchaufzeichnungen gefunden.«
    »Was gefunden? Ich wußte nicht einmal,
daß Belial schreiben konnte. Habe ihn immer für einen illegalen Schnapsbrenner
gehalten.«
    »War er auch. Aber er war noch vieles
mehr, vor allem ein belesener Witzbold.« Helen holte das schlaue kleine Buch
heraus, dem Buggins seine geheimen Späße anvertraut hatte. »Sehen Sie selbst,
hier beschreibt er, wie er den Runenstein bearbeitet hat und wo er die
Wikingerschätze gekauft hat, die er dort vergraben wollte.«
    Der Präsident betrachtete die
verkleckste, braungewordene Schrift zunächst mit Mißtrauen, dann mit Wut.
»Also, dieser verfluchte Huren — «
    »Thorkjeld!« fiel seine Frau ein.
    »Aber verflucht nochmal, Sieglinde —
ich — ich bin — , Helen, wollen Sie damit etwa sagen, daß es nie einen Orm
Tokesson gegeben hat?«
    »Jedenfalls nicht in Lumpkin Corners.
Es tut mir leid.«
    »Leid? Ist das alles, was Sie dazu zu
sagen wissen? Leid? Zum Teufel!« Er sank auf den Runenstein wie ein besiegter
Titane. »Ich mochte Orm!«
    Sieglinde ging zu ihm und bettete
seinen riesigen Kopf an ihren ebenfalls riesigen, aber bedeutend
wohlgeformteren Busen. »Laß dich trösten, mein Einziger. Du hast doch noch
mich, nicht zu vergessen unsere sieben schönen Töchter, unsere fünf
wohlgeratenen Schwiegersöhne, unsere neun anbetungswürdigen Enkelkinder, unsere
lieben Eltern, unsere geliebten Brüder und Schwestern, unsere geschätzten
Freunde, die vielen Tanten, Onkel, Nichten, Neffen, Basen und Vettern aller
Grade, obwohl ich allerdings keinen Grund sehe, sie alle zur Verlobungsfeier
einzuladen.«
    »Welche Verlobung? Gütiger Gott, du
sprichst doch nicht etwa von Frideswiede?«
    »Nein, keine Angst. Ich spreche von
Großonkel Sven und Miss Horsefall, deren Affäre bereits soweit fortgeschritten
ist, daß man eingreifen muß, um den Anstand zu wahren. Ich sage dies in
Gegenwart von Zeugen, mein geliebter Mann, weil ich überwältigt bin von deinem
Schmerz und auf die Diskretion der hier Anwesenden vertraue. Allerdings
vertraue ich keineswegs auf die Diskretion von Onkel Sven und Miss Horsefall,
daher dürfen wir keine Zeit verlieren. Wenigstens können wir auf diese Art die
vielen Heringe verzehren, die noch von Birgits Hochzeitsfeier übrig sind.«
    Während Thorkjeld

Weitere Kostenlose Bücher