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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Kapitel
20
     
     
     
     
     
     
    Als Shandy aus seinen Gedanken
emportauchte, bemerkte er, daß er sich geistesabwesend an Miss Hildas
Küchentisch gesetzt und den Rest von Jolenes Schichttorte verzehrt hatte. Er
wischte sich die Krümel vom Mund und ging hinaus auf den Hof, wo er das
Verandalicht anknipste, denn es war bereits finster geworden.
    Durch den sofort einsetzenden Angriff
von Motten und Junikäfern hindurch konnte er im Hof einen lila Wagen erkennen.
Eine große Frau, die einen lila Hut und ein lilafarbenes Kleid trug, stand
daneben und sprach auf einen in sich zusammengesunkenen alten Mann in einem
zerlumpten Overall ein. Loretta Fescue hatte offenbar mit Hilfe ihres Bruders,
des Polizeichefs, die Postenkette durchbrochen und ging Henny auf Teufel komm
raus mit ihrem berühmten Maklerschmus um den Bart. Und Henny machte
offensichtlich schlapp.
    Shandy lief in den Hof und packte Henny
mit festem Griff bei der Schulter. Keinen Moment zu früh, denn die
Grundstücksmaklerin zog gerade einen Kaufvertrag aus der übergroßen lila
Handtasche.
    »Sie sehen selbst, daß es sich um ein
bemerkenswert günstiges Angebot handelt, Mr. Horsefall. Aber leider kann Mr.
Gaffson nicht mehr länger warten. Er hat sich bereits ein Grundstück drüben in
Hoddersville angesehen, das für sein Vorhaben beinahe genauso günstig ist wie
Ihr Grundstück. Und dann all die fürchterlichen Unfälle, die hier während der
letzten zwei Wochen stattgefunden haben, ich will gar nicht davon reden, was
vielleicht sonst noch alles auf Sie zukommen könnte, jetzt, wo der Runenstein
ausgegraben werden soll. Nicht, daß ich selbst abergläubisch bin, aber ich kann
es Ihnen ja ruhig sagen, als ich heute mittag hörte, daß Professor Arnes bei
der Explosion ums Leben gekommen ist, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.«
    »Dann wird es Sie sicherlich unendlich
beruhigen zu erfahren, daß Professor Ames weder getötet noch ernsthaft verletzt
wurde und daß die Explosion mit dem Runenstein nicht das geringste zu tun
hatte«, klärte Shandy sie auf. »Es handelt sich vielmehr um einen neuen
Anschlag auf die Horsefalls. Und diese Anschläge haben merkwürdigerweise
zufällig genau in dem Moment angefangen, als Sie zum ersten Mal versucht haben,
die Horsefalls zum Verkauf ihrer Farm zu überreden.«
    »Wie bitte? Wollen Sie damit andeuten,
daß — «
    »Ich will gar nichts andeuten, Mrs.
Fescue. Ich möchte nur auf einen recht merkwürdigen Zufall aufmerksam machen.«
    »Eh?«
    Zum ersten Mal seit der Explosion sah
Henny Horsefall mehr lebendig als tot aus. »Ham Sie etwa eben gerade Anschlag
gesagt?«
    »Horsefall, Sie waren doch bei mir, als
ich das Stück Elektrodraht gefunden habe und als Roy das Metallstück entdeckt
hat, das die Bombe gezündet hat. Ist Ihnen nicht bewußt geworden, daß man den
Misthaufen absichtlich so manipuliert hat, daß er explodierte?«
    »Vermute, ich hab’ das alles nich’ so
ganz mitgekriegt«, murmelte der alte Mann, »‘s is’ soviel passiert. Alles
nach’nander. Dieser Swope-Junge — «
    »Ist auf einer Öllache ausgerutscht,
die jemand absichtlich drüben an der Kurve verursacht hat, und kopfüber von
seinem Motorrad geflogen. Auch daran war nichts Übernatürliches.«
    »Aber Orm hat den Schwedenkerl doch
hochgeschmissen in’n Baum«, argumentierte Henny, »hat er doch selbs’ gesagt.«
    »Doktor Svenson ist ein ganzes Stück
älter als Sie, Horsefall, und sein Englisch ist auch nicht gerade gut. Entweder
er hat nicht begriffen, was mit ihm geschehen ist, oder er konnte nicht die
richtigen Worte dafür finden.«
    Shandy beschrieb das primitive, aber
wirkungsvolle Katapult, für das jemand die junge Birke mißbraucht hatte. »Es
war großes Glück oder auch Pech, je nachdem, wie man es betrachtet, daß jemand,
der so leicht ist wie er, und nicht etwa jemand, der so groß und schwer ist wie
sein Neffe, sich an die Birke gelehnt hat und in die Luft gewirbelt wurde, als
sie hochschnellte.«
    »Verdammt noch eins!«
    Henny sah auf einmal wieder
beträchtlich besser aus, und Mrs. Fescues Lächeln verkrampfte sich und wirkte
zusehends gezwungener.
    »Es waren also bloß wieder diese
verdammten — bei allen Heiligen, was issen das?«
    Aus dem Dunkel der Nacht ertönte das
Stampfen von Hufen. Plötzlich tauchte auf dem Hof ein rabenschwarzes Pferd auf,
das größer als jedes andere Lebewesen zu sein schien. Auf seinem Rücken thronte
majestätisch eine Frauengestalt, die schöner war als jede

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