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Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Stirn. Maaßen-Pharma weckte eine vage Erinnerung in ihm. Dann hellte sich sein breitflächiges Gesicht auf.
    »Tolimadol«, sagte er.
    Sie blinzelte. »Wie bitte?«
    »Tolimadol«, wiederholte er. »Ein Schmerzmittel. Vitamin C, kombiniert mit der bewährten Acetylsalicylsäure. Abends Scotch, morgens Tolimadol. Ihre Firma stellt das Mittel her. Ich nehme es regelmäßig und bin sehr zufrieden.«
    »Mein Schwager leitet die Firma«, erklärte sie. Das ärgerliche Funkeln in ihren Augen verriet, daß sie sich in die Defensive gedrängt fühlte. »Ich bin über unsere Produktpalette nur unzureichend informiert. Jedenfalls freut es mich, daß die Maaßen-Pharma Ihnen hilft, die negativen Folgen Ihrer … Trinkgewohnheiten zu überwinden.«
    Ihr Blick streifte das Whiskyglas. Etwas wie Verachtung huschte über ihre herbschönen Züge, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt.
    »Doktor Fichte sagte mir, daß ich Sie hier finden würde. Er hat Sie mir empfohlen. Seiner Meinung nach sind Sie der einzige Mensch, der mir helfen kann.«
    Dem Klang ihrer Stimme nach schien sie Dr. Fichtes Meinung nicht zu teilen.
    Fichte, dachte Markesch. Der Geschäftsführer der Unidata. Sehr aufmerksam von ihm.
    »Was kann ich für Sie tun, Frau Maaßen?«
    Sie sah sich unbehaglich um. »Können wir nicht in Ihr Büro …?«
    »Dies ist mein Büro.«
    Sie blinzelte erneut.
    »Für meine Zwecke genügt es«, erklärte er. »Ein wenig unkonventionell vielleicht, aber hier ist man unter sich, und der Scotchvorrat geht nie zur Neige.« Markesch unterdrückte ein Grinsen. Sie wirkte schockiert, aber der verächtliche Blick, mit dem sie sein Whiskyglas bedacht hatte, war ihm nicht entgangen. Und wenn er etwas haßte, dann waren es Leute, die einen guten Scotch verachteten. »Wollen Sie etwas trinken? Einen Scotch?«
    Elvira Maaßen preßte die Lippen zusammen. Einen Moment lang glaubte er, daß sie aufstehen und gehen würde, aber sie blieb sitzen. Offenbar brauchte sie wirklich Hilfe. Und offenbar schien sie Dr. Fichtes Urteil doch mehr zu vertrauen als ihrem eigenen Vorurteil über trunksüchtige Privatdetektive.
    Sie holte tief Luft. »Einen Kaffee.«
    Markesch winkte Archimedes zu und bestellte. Als der Kaffee serviert war und sie mit mechanischen Bewegungen Zucker und Sahne hineinrührte, räusperte er sich.
    »Also? Was kann ich für Sie tun?«
    »Es geht um meinen Sohn«, sagte sie, und plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Es verblüffte ihn. Unwillkürlich erwartete er, daß die Tränen sofort zu Eis gefrieren würden, doch zweifellos hatte er sich in ihr getäuscht. Ihre Kälte war nur eine Maske – oder ihr Sohn war der einzige Mensch, der ihr Herz rühren konnte. Sofern sie ein Herz hatte und nicht statt dessen ein Scheckbuch in der Brust. »Mein Sohn … Michael. Er ist tot. Er war mein einziger Sohn.«
    »Es tut mir leid«, murmelte Markesch. Es war nicht nur eine Floskel; es tat ihm wirklich leid. Vielleicht, weil ihre Tränen seine Vorurteile über reiche, kaltherzige Frauen widerlegt hatten.
    »Michael wurde ermordet.« Ihre Stimme schwankte. »Ich weiß, daß er ermordet wurde.«
    Sie griff in ihre Handtasche und zog ein Foto hervor. Markesch griff danach und betrachtete es. Es zeigte einen jungen, blonden Mann mit einem hübschen, fast feminin wirkenden Gesicht. Er lächelte unbekümmert. Markesch schätzte ihn auf Anfang Zwanzig.
    Kein gutes Alter, um zu sterben, dachte er. Mit Zwanzig sollte man tanzen und sich verlieben und das Leben in vollen Zügen genießen.
    Er sah wieder Elvira Maaßen an. Sie hielt den Kopf gesenkt und rührte in ihrem Kaffee. Mechanisch. Um ihre Tränen vor ihm zu verbergen.
    »Was bringt Sie zu der Überzeugung, daß Ihr Sohn ermordet wurde?« fragte er sachlich. »Und warum wenden Sie sich nicht an die Polizei?«
    Ihr Kopf fuhr hoch. »Die Polizei! Die Polizei glaubt, daß er sich selbst umgebracht hat. Aber das ist nicht wahr! Michael würde so etwas nie tun. Er ist … war nicht einer von denen. Von diesen … diesen …« Sie fand nicht die richtigen Worte. Ihre Hand zitterte, als sie die Kaffeetasse zum Mund führte und einen winzigen Schluck trank. Dann klang ihre Stimme wieder ruhig, kühl, fast zu kühl. »Michael starb vor vier Tagen. Man fand ihn auf der Toilette des Intercity-Restaurants am Kölner Hauptbahnhof. Mit einer Spritze im Arm. Bewußtlos. Eine Überdosis Heroin, wie die Polizei sagt. Wiederbelebungsversuche waren ohne Erfolg. Er starb, bevor der Krankenwagen

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