Ueberdosis
steckte die Magnum in die Innentasche seiner Jacke und sah mit verschränkten Armen dem bulligen Mann mit dem finsteren Gesicht entgegen, der durch den Regen auf ihn zugerannt kam.
Müller gestikulierte wutentbrannt. »Sie …! Was haben Sie sich dabei gedacht? Sie verdammter Idiot, Sie dreimal verdammter …!«
»Rufen Sie einen Krankenwagen«, unterbrach Markesch kalt. »Im Haus sind zwei Verletzte. Und ein Entführungsopfer. Peter Großmann. Sie wissen doch, wer er ist, nicht wahr? Und daß ihn Toldeos Leute gekidnappt haben, nicht wahr? Unterlassene Hilfeleistung nennt man so etwas.«
Müller schnappte nach Luft.
Andere BKA-Beamte näherten sich im Laufschritt. Markesch trat zur Seite, und sie verschwanden im Haus. Von unten gellten noch immer die Schreie des Goldzahns.
»Sie Mistkerl«, sagte Müller gepreßt. »Ich habe Sie gewarnt! Wissen Sie, was Sie getan haben? Sie haben …«
»… einem jungen Mann das Leben gerettet. Ich bin sicher, Peter Großmann wird bestätigen, daß er in Lebensgefahr war.«
Müller packte ihn am Jackenaufschlag. Er zitterte vor Wut.
»Sie verdammter Schnüffler! Sie gottverdammter Schnüffler! Sie haben alles ruiniert. Alles!«
»Sicher«, nickte Markesch. »Und jetzt lassen Sie mich los. Ich bin müde. Es war ein harter Tag.«
Müller stieß ihn zurück. »Okay, Markesch«, stieß er hervor. »Okay. Sie haben es nicht anders gewollt. Sie kommen mit. Ins Präsidium. Ich werde …«
»Ja?«
Müller starrte ihn haßerfüllt an.
»Ich werde meinen Anwalt anrufen«, sagte Markesch. »Und später ein paar Freunde. Von der Presse. Die Presse wird bestimmt interessiert sein, was ich zu erzählen habe. Oder Peter Großmann.«
»Okay, Markesch«, sagte Müller wieder, mühsam beherrscht. Er drehte sich um. »Schmitz! Kommen Sie her, Schmitz. Nehmen Sie sich den Schnüffler, und schaffen Sie ihn ins Präsidium.«
Schmitz kam mit einem bösartigen Lächeln herangetrottet. »Spezialbehandlung, Chef?« fragte er lauernd.
»Ich habe Freunde bei der Presse«, erinnerte Markesch. »Sie wollen es doch nicht mit der Presse verderben, oder?«
»Keine Spezialbehandlung«, knurrte Müller. »Nehmen Sie seine Aussage zu Protokoll und lassen Sie ihn dann gehen. Wir werden uns ein anderes Mal um ihn kümmern. Verschwinden Sie, Markesch. Gehen Sie mir aus den Augen. Ehe ich es mir anders überlege.«
Markesch grinste und folgte Schmitz zu einem der Autos.
Der Regen fiel, und er spürte die Müdigkeit wie eine schwere Last auf seiner Schulter.
Epilog
Es war eine lange Nacht im Präsidium gewesen.
Schmitz hatte Fragen gestellt, immer neue Fragen, und Markesch hatte geantwortet, und dann war Müller hinzugekommen und hatte die gleichen Fragen erneut gestellt und die gleichen Antworten erhalten, und schließlich, als der Morgen dämmerte, waren sie des Spieles überdrüssig geworden und hatten ihn gehen lassen.
Und dann Elvira Maaßen.
Er hatte gewußt, daß ihr nicht gefallen würde, was er zu berichten hatte, und er hatte den Schmerz in ihrem Gesicht gesehen, zuerst den Schmerz und dann die Verzweiflung und dann den Haß.
Haß auf ihn.
Haß auf die Wahrheit.
Und Haß auf sich selbst.
Aber es war sein Job, die Wahrheit zu ermitteln, ganz gleich, ob seine Klienten mit der Wahrheit zufrieden waren oder nicht. Er war Privatschnüffler, kein Märchenerzähler.
Er hatte ihr gesagt, was gesagt werden mußte, und sie hatte geweint und geschrien und ihn beschimpft und ihn hinausgeworfen.
Und jetzt saß er wieder im Café Regenbogen, müde und übernächtigt, trank Scotch und dachte an nichts, während draußen der graue Morgen in einen grauen Vormittag überging und der Regen die Stadt ertränkte.
Nur noch einen Scotch, und er würde gehen. Schlafen. Vierundzwanzig Stunden lang. Um dann wieder im Café Regenbogen zu sitzen und zu warten, auf einen neuen Scotch, auf einen neuen Fall, auf den Tag, an dem sich die Regenwolken verzogen und die Sonne am Himmel erschien.
Nicht, daß er wirklich daran glaubte, diesen Tag jemals zu erleben.
Er war Realist.
In seinem Beruf mußte man Realist sein.
Es war eine Frage des Überlebens.
Er starrte in sein Glas. Die Tür öffnete sich, doch er blickte nicht auf. Schritte näherten sich seinem Tisch.
»Markesch?«
Er hob den Kopf. Susanne Großmann. Wieder ganz in Weiß, wieder ganz ein Engel. An ihrer Stirn klebte ein Pflaster.
»Was macht Ihr Kopf?« fragte er.
Sie setzte sich. »Alles in Ordnung. Nur ein Kratzer.« Sie sah ihn an,
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