Ueberdosis
eintraf. Im letzten Monat war er zwanzig geworden. Und jetzt ist er tot.«
Markesch sagte nichts.
Ein Junkie, dachte er. Junkies kommen in den besten Familien vor. Und sie will es nicht glauben. Natürlich will sie es nicht glauben. Wie sie schon sagte – ihr Sohn war nicht einer von denen. Von diesem Abschaum. Das war das Wort, das sie gesucht hat: Abschaum.
Aber sie tat ihm trotzdem leid.
»Mein Sohn hat nie Rauschgift genommen«, sagte Elvira Maaßen. »Er war ein vernünftiger Junge. Es ging ihm gut. Er war glücklich. Er hatte alles, was er brauchte. Einen Wagen, eine hübsche Wohnung, eine Freundin, mit der er sich verstand, sein Studium … Chemie. An der Kölner Universität. Das Studium machte ihm Spaß. Warum hätte er dann Rauschgift nehmen sollen?«
Vielleicht, weil es ihm doch nicht so gut ging, wie Sie glauben, dachte Markesch. Oder weil es ihm zu gut ging. Aus Langeweile, aus Neugierde. Es gibt tausend verdammte Gründe.
»Schauen Sie sich das Bild an!« forderte sie ihn auf. »Und sagen Sie mir, sieht so ein Rauschgiftsüchtiger aus?«
»Wann wurde das Foto aufgenommen?«
»An seinem Geburtstag.«
Also vor rund einem Monat. Nun, Michael Maaßen sah tatsächlich nicht wie ein Junkie aus. Aber auch das hatte nichts zu bedeuten. Vielleicht war es das erste Mal gewesen … Markesch griff nach seinem Glas, trank aber nicht. Doch wenn es das erste Mal war – warum ausgerechnet im Intercity-Restaurant?
»Hatte Ihr Sohn Feinde? Leute, die einen Grund gehabt hätten, ihn umzubringen?« Falls es ein Mord war, dachte er. »Vielleicht hatte er mit Leuten aus der Drogenszene …«
Ihre Miene verhärtete sich. »Mein Sohn hatte mit diesen Rauschgiftsüchtigen nichts zu tun. Nichts, verstehen Sie?«
»Aber er starb an einer Überdosis Heroin.«
Elvira Maaßen sagte nichts.
»Sie haben also keine Vorstellung, wer sein Mörder sein könnte – vorausgesetzt, es war ein Mord?«
Sie sah ihn feindselig an. »Wenn ich das wüßte, würde ich Sie nicht engagieren. Aber da ist noch etwas … seine Uhr. Eine wertvolle Uhr. Eine Rolex. Ich habe sie ihm zum Geburtstag geschenkt. Er trug sie immer. Ich weiß, daß er sie immer trug. Auch an seinem Todestag. Aber sie ist verschwunden. Die Polizei hat mir seine Sachen übergeben. Alles war da; Ausweis, Brieftasche, das Geld – vierhundert Mark –, Scheckkarte und Schecks, Kreditkarte. Nur die Uhr nicht. Jemand muß sie ihm gestohlen haben. Der Mörder.«
Markesch lehnte sich zurück. »Aber warum nur die Uhr? Warum nicht auch die Schecks, das Geld?«
»Sie sind der Detektiv«, sagte sie kalt. »Es ist Ihre Aufgabe, das herauszufinden.« Sie griff wieder in ihre Handtasche und brachte diesmal ein Scheckbuch und einen goldenen Kugelschreiber zum Vorschein. Sie füllte einen Scheck aus. »Hier«, sagte sie. »Eine Anzahlung. Ich erwarte, daß Sie mir laufend Bericht erstatten. Ich erwarte, daß Sie den Mörder meines Sohnes finden. Geld spielt keine Rolle. Finden Sie den Mörder meines Sohnes, Markesch.«
Sie schob ihm den Scheck zusammen mit ihrer Visitenkarte zu und stand auf.
»Ich habe den Auftrag noch nicht angenommen«, erklärte Markesch. »Vielleicht hat Doktor Fichte vergessen, es zu erwähnen, aber ich bearbeite nur Fälle, die mich …«
»… persönlich interessieren, ich weiß«, unterbrach Elvira Maaßen. »Ich gehe davon aus, daß der Mord an einem unschuldigen zwanzigjährigen Jungen Sie interessiert. Und wenn nicht« – ihre Mundwinkel zuckten – »dann lassen Sie mich wissen, ab welcher Summe Ihr Interesse beginnt. Ich höre von Ihnen.«
Sie wandte sich ab und verließ mit energischen Schritten das Café. Draußen regnete es noch immer in Strömen. Markesch beobachtete, wie der Chauffeur aus dem Wagen sprang, ihr die Tür öffnete und mit gesenktem Kopf wartete, bis sie eingestiegen war. Sekunden später rollte die schwarze Limousine davon und verschwand im Schwarz der Nacht.
»Ein neuer Fall?« fragte Archimedes. Er griff nach dem Scheck und pfiff leise. »Ston diabolo – fünftausend Mark!« Er starrte Markesch an. »Was sollst du für sie tun? Ihren Mann umbringen?«
Markesch nahm ihm den Scheck ab. »Den Mörder ihres Sohnes finden.«
»Großartig! Fantastisch!« Der Grieche rieb sich die Hände. »Wenn du den Scheck einlöst – vergiß nicht, daß du noch Schulden bei mir hast.«
Markesch setzte das Glas an die Lippen und trank. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Fall übernehmen und den Scheck einlösen werde. Du kennst
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