Überfällig
Lagebericht in Abstände von zehn Minuten mit Stichwort ›Rotball‹. Anweisungen betätigen. An HC-9, sofort bestätigen. Ende.«
Manzo verstummte. Ich blickte nachdenklich auf das Bandgerät. Blässe überzog mein Gesicht.
Also doch das Rote Leuchten! Wer war jener tibetische Abt? Sicherlich ein Mann, der von übergeordneten Geistesgaben mehr verstand als sämtliche Parapsychologen der USA.
Der Mutant erwachte langsam aus seiner Starre. Die lange Sendung schien ihn angestrengt zu haben. Trotzdem wußte er genau, was er gesprochen hatte.
Hinter mir hörte ich ein Klicken. Es war Hannibal, der das Mikrophon in die Halterung schob. Sein Lächeln war schemenhaft. Seine sonst farblosen Augen funkelten.
»Na also«, sagte er gedehnt.
Unwillkürlich ballte ich die Fäuste.
Dann fuhr er fort:
»Da hätte die weltweite Zusammenarbeit ja schon Früchte getragen. Die Chinesen geben jetzt sogar zu, daß sie die Leichen unserer Marsfahrer untersucht haben. Keine Giftstoffe, wie? Wenn es rot zu leuchten beginnt, Großer, dann wird mein Finger zucken.«
»Manzo, Befehlsempfang bestätigen«, ordnete ich rauh an.
Der Mutant schien sofort in sich zu gehen. Es dauerte nur einen Augenblick dann war er geistig wieder zurückgekehrt.
»Bestätigt, Sir. Ich gebe alle zehn Minuten ohne besonderen Befehl ›Rotball‹ durch.«
»Okay, das ist deine Aufgabe. Wir sind vor dem Nullpunkt. Der Robot irrt sich nicht. Wenn es uns gelingt, die verschlossenen Räume zu öffnen, wird allerlei passieren. Vielleicht hat man uns bisher nur deshalb in Ruhe gelassen, weil wir sowieso nicht weiterkamen. Bei Dr. Festasa ging es rascher. Sicherlich hatte er mit dem Tunnel eine wichtige Lebensader entdeckt. Fertigmachen, Spezialausrüstung anlegen. Zündergeräte für Säurestrahler einstellen auf Kodeimpuls. Hier kommt mir keiner rein, solange wir draußen sind. Zentrale Rotball ist die letzte Rettungsstation. Manzo – deinen Höcker aufmachen, Wir wollen dich mit hochexplosiven Dingen schmücken.«
Es war plötzlich alles anders. Jede Lethargie war von uns gewichen, was aber nur durch die fruchtbringende Teamarbeit der Menschen hatte bewirkt werden können. Es konnte nicht mehr lange dauern, nachdem wir eine unendlich lang erscheinende Zeitspanne für die Vorbereitungen benötigt hatten.
»Leg dich auf den Bauch, Kleiner«, sagte der Zwerg.
Manzo lachte und kam der Aufforderung nach. Wir zogen ihm die normale Kunststoffkleidung von den Schultern. Es erschien ein stabiler Höcker, der täuschend einer Rückgratverkrümmung glich. Die gleiche Ausrüstung hatte er schon einmal getragen. Damals hatte sie sich hervorragend bewährt.
Ich starrte auf den Kunststoffbehälter, der auf seinem Gigantenrücken ganz natürlich wirkte. Einen normal gewachsenen Menschen hätte die künstliche Erhöhung stark verunstaltet, da der Körper nicht die entsprechenden Proportionen aufwies.
Mit dem Höcker hatten unsere Biologen und Mediziner ein Kunstwerk geschaffen, das gerade bei dem Mutanten nicht einfach anzupassen gewesen war. Er besaß eine sandpapierähnliche Haut, die außerdem Röntgen- und sogar harte Gammastrahlungen reflektierte. Es mußte ein Stoff verwendet werden, der ebenfalls für diese Strahlungen undurchlässig war.
Der Höcker besaß eine hervorragende nachgebildete Muskulatur und sogar ein Kunststoffrückgrat, bei dem jeder Wirbel fühlbar war. Diese Muskelstränge waren beweglich, da man durch einen operativen Eingriff die Sehnenbänder der Plastik mit echtem Zellgewebe in seinen Rücken gepflanzt hatte. Das war GWA-Maßarbeit.
Hannibal
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