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Überfall nach Ladenschluß

Überfall nach Ladenschluß

Titel: Überfall nach Ladenschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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einer Backe — links, glaube ich — hat er eine breite, rote
Narbe. Dieser Kerl holt jede Woche Geld ab. Aber er ist kein Lieferant. Er
bringt keine Rechnung. Er holt einfach nur Geld, und Emilio gibt es ihm —
zähneknirschend.“
    „Carezzo
ist Italiener“, stellte Locke fest.
    „Nein,
Sizilianer. Das hörte ich, als ich zufällig ein Gespräch zwischen Sabrina und
ihrem Vater belauschte. Er fluchte. Ich habe nicht alles verstanden. So gut ist
mein Italienisch nicht. Aber ich verstand, daß er Carezzo verwünscht. Und daß
ihn die Schutzgebühr, wie er sagte, in den Ruin treibt. Die Polizei könnte er
nicht einschalten, hat er Sabrina erklärt, denn die Sizilianer — zu denen
Carezzo offenbar gehört — verstünden keinen Spaß. Sie würden ihn umbringen.“
    „Schutzgebühr!“
Tom stellte seine Obstschüssel neben sich. „Das hört sich nach organisiertem
Verbrechen an. Nach Erpressung. So hat die sizilianische Mafia, die wohl
schlimmste Verbrecher-Organisation, Anfang dieses Jahrhundert in Amerika
angefangen. Und so besteht sie noch. Wie man hört und liest, breitet sie sich
auch in Europa aus.“
    „Ich möchte
nicht hineingezogen werden“, sagte Kathie hastig. „Aber ich dachte mir: Wenn
ich’s dir sage, Locke, erfährt es dein Vater. Und wie er sich um Mißstände
kümmert, ist ja bekannt. Bei der Zeitung kann er eine Menge tun, und er hat
gute Beziehungen zur Polizei, nicht wahr?“
    „Hat er.“
Locke nickte. „Und sein Beruf, der Journalismus, bedeutet für ihn immer zu
allererst: Mißstände auf decken. Für Gerechtigkeit eintreten. Wir geben ihm
Bescheid, Kathie.“
    „Aber er
wird meinen Namen nicht veröffentlichen?“
    „Natürlich
nicht.“
    Kathie
seufzte. Sie hätte es leichter, sagte sie, wenn sie nicht so ein Hasenfuß wäre.
Aber auch ihre Großmutter hätte immer Angst gehabt — vor Einbrechern, Seuchen,
Hungersnöten, Glatteis, betrunkenen Autofahrern und dem dritten Weltkrieg —,
und die Oma wäre nun mal ihr einziges Vorbild.
    Ein Glück,
dachte Tom, daß Frau Doktor Conradi, mein liebes Mütterchen, eine forsche
Person ist. Wäre ich sonst ein Waschlappen? Hm, hm. Und mit Gunter ist Locke
hervorragend bedient. Wenn sie in ihres Vaters Fußtapfen tritt — Himmel, dann
muß ich den ganzen Tag um sie zittern.
     
    *
     
    Sie fuhren
mit der S-Bahn zurück. Der Abend war lau. Im Westen quoll Abendrot über den
Horizont. In der Stadt herrschte Hektik. Das Wochenende warf seine Schatten
voraus. Zig Tausende strömten nach arbeitsreicher Woche ins Grüne, aufs Land.
Ausfallstraßen verstopften sich wie Flaschenhälse mit jahrzehntealten Korken.
Der Verkehrsfunk meldete unerfreuliche Zustände rund um die Stadt. Aber Locke
und Tom war das wurscht.
    Beim
S-Bahnhof warteten ihre Motorroller. Um Diebe zu entmutigen, hatte Tom Lockes
,Hirschkalb’ mit rißfester Stahlkette an seinen ,Hirsch’ geschmiedet. Mit gutem
Erfolg, denn beide waren noch da. Schweifwedelnd wurden sie von Nicki
beschnuppert.
    Sie
rollerten in die City (Innenstadt), zum Pressehaus, wo Lockes Vater,
Gunter Rehm, letzte Hand anlegte an die Wochenend-Ausgabe des TAGBLATTs. Nicki
trabte an der Leine nebenher. Abendsonne beschien den Büro-Palast aus Glas und
Stahl. In allen Redaktionen war Hochbetrieb.
    Das Pärchen
rollerte gleich in die Tiefgarage, wo die Vehikel abgestellt wurden. Gunters
Saab stand auf seinem Platz. Mit dem Lift fuhren sie in die siebte Etage. In
Gunters Vorzimmer hämmerte Melanie Frühauf, die flinke Sekretärin, auf ihrer
elektrischen Maschine.
    Sie blickte
auf, schrieb dabei weiter, knipste ihr Begrüßungslächeln an und sagte: „Er ist
drin.“
    „Hallo,
Frau Frühauf!“ sagten die beiden im Chor.
    Nicki stand
schon an der nächsten Tür, hatte sich aufgerichtet und drückte eine Pfote auf
die Klinke. Dann sauste er hinein.
    Lachen
erscholl. Als sie eintraten, segelten Manuskriptseiten wie Papierflieger durch
die Luft. Nicki war auf den Schreibtisch gesprungen und begrüßte Lockes Vater,
indem er ihm das Gesicht leckte, was Gunter lachend abwehrte, allerdings
erfolglos.
    „Hallo,
ihr! Euer Tiger überfällt mich.“
    „Macht er
aus Liebe“, stellte Locke fest.
    Tom
bändigte seinen Vierbeiner, aber die heillose Unordnung auf Gunters
Schreibtisch war noch heilloser geworden.
    „Wollt ihr
mich zum Abendessen abholen?“ fragte Gunter. „Oder gibt‘s einen vernünftigen
Grund für euer Erscheinen?“
    „Wir
bringen eine Information“, sagte Locke. „Aber ohne Honorar läuft

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