Überfall nach Ladenschluß
kleines
Plätzchen.
Sabine
Habeschaden besaß den Führerschein erst kurze Zeit. Aber das Coupé war ein
robustes Modell, und das knallige Rot warnte die übrigen Verkehrsteilnehmer.
Tom sagte:
„Der Rote! Nicht zu fassen! Ich meine, daß wir ihm begegnen. Zu fassen ist er
auch sonst nicht. Wieviele Überfälle gehen auf sein Konto? Dutzende, nicht
wahr? Überfällt Banken, Geschäfte, Tankstellen, Spaziergänger, Privatleute,
Omas und jetzt sogar Rastplatz-Benutzer! Und ist so ein junger Kerl. Wenn du
dich nicht verguckt hast, Locke.“
„Habe ich
nicht. Der ist höchstens 22-einhalb. Dabei habe ich nicht berücksichtigt, daß
man bei innerer Verkommenheit auch äußerlich schneller altert, beziehungsweise
vergammelt. Wer nur an Raub und Gewalt denkt, hat bestimmt keine Pfirsichhaut.
Also könnte man meinen, daß der Rote noch jünger ist. Vielleicht gerade erst
volljährig.“
Tom sah auf
seine Armbanduhr. „Hoffentlich hält uns die Polente nicht so lange auf. Sonst
wartet Kathie vergeblich.“
„Ihr seid
verabredet?“ fragte Sabine Habeschaden.
„In
Ober-Plösel“, nickte Locke. „Um 17 Uhr.“
„Ich bin
euch so dankbar“, seufzte die junge Frau. „Euer Auftauchen hat den Verbrecher
vertrieben. Mindestens meine Tasche hätte ich sonst eingebüßt. Schmuck ist
drin. Ich habe ihn abgelegt, weil er mich beim Fahren störte. Darf ich euch
nachher — wenn wir bei der Polizei fertig sind — nach Ober-Plösel chauffieren?“
Locke und
Tom sagten, das sei wirklich reizend. Nicki knurrte beifällig. Locke naschte
ein paar Himbeeren — sie schmeckten wie wiedergeschenktes Leben. Sie bot auch
der Frau an. Aber Sabine vertrug wilde Früchte nicht, bekam davon nämlich
Pusteln.
Hatten sie
gemeint, die Identität (Personengleichheit) des Roten sei nun rasch
geklärt, so wurden sie amtlicherseits enttäuscht. Daß sich Locke das
Kfz-Kennzeichen gemerkt hatte, nutzte nichts. Der Wagen war seit gestern als
gestohlen gemeldet und wurde noch am Abend dieses Tages auf einem Parkplatz
entdeckt: samt zweitem Zündschlüssel, den der Besitzer leichtsinnigerweise im
Handschuhfach gelassen hatte.
Sabines
Aussage wurde protokolliert, ebenso, was Locke zu berichten hatte. Aufgrund
ihrer Angaben fertigten Experten der Kripo ein Phantombild an. Sie fertigten es
aus vorfabrizierten Gesichtsteilen. Erst die zwölfte Nase paßte, erst das 17.
Kinn, erst der 20. Haaransatz.
Schließlich
war es fertig, und Locke meinte, es sei ihm ähnlich. Doch ob das was half? Das
Ergebnis war ein Milchbubi-Durchschnittsgesicht. Er sah glatt und jung aus, der
Kerl, hatte aber nichts Typisches, das man sich einprägen konnte.
„Wie ein
eifriger Briefschreiber wirkt er nicht“, meinte einer der Beamten.
„Briefschreiber?“
fragte Locke. „Was meinen Sie damit?“
„Na, gut“,
lächelte der Mann. „Dann wirst du’s noch vor deinem Vater erfahren, Locke.“
Damit spielte er an auf Gunter Rehms Stellung als Chef der
TAGBLATT-Lokalredaktion; denn schließlich kommt es der Presse zu, amtliche
Neuigkeiten zuerst zu erfahren. „Er verhöhnt uns nämlich mit Briefen, der Mistkerl.“
„Sie
sprechen von dem Roten“, sagte Locke mit seidigem Lächeln.
„Klar. Elf
Briefe hat er geschickt. Er macht sich lustig über uns. Die Briefe bestehen aus
Schnipseln, die er aus Zeitungen ausgeschnitten und aufgeklebt hat. Alles
andere könnte verräterisch werden. Bislang haben wir die Briefe zurückgehalten.
Aber jetzt wollen wir sie im Tagblatt veröffentlichen. Gewisse, wiederkehrende
Ausdrücke deuten nämlich darauf hin, daß es sich um einen Ausländer handelt.
Vielleicht kommt von den Zeitungslesern ein Hinweis, falls das hier“, er
deutete auf das Phantombild, „nicht eher zum Ziel führt.“
„So oder
so“, mischte sich Tom lachend ein, „es geht nichts ohne die Rehms.“
2. Gerüchte von der Mafia
Der
Spätnachmittag goß sein braunes Licht über Stadt und Land, als Sabines Coupé in
Ober-Plösel hielt.
Locke und
Tom bedankten sich und stiegen aus. Nicki sprang ins Freie, setzte mit dem
nächsten Sprung über den Zaun und stürmte auf Kathie zu, die auf ihrer roten
Gartenbank saß, freudig lächelnd, weil der Besuch endlich kam.
Sabine fuhr
ab. Locke winkte noch kurz, dann folgte sie Nicki, der sich von Kathie kraulen
ließ, was nur engste Freunde aus der Locke-Tom-Clique durften. Fremden hätte er
die Hand bis zum Ellbogen abgebissen.
„Halloooh!“
Kathie kam ihnen entgegen.
Sie kannte
Tom noch nicht und brannte
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