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Ueberflieger

Titel: Ueberflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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nichts anderes als um die Verringerung der Machtdistanz im Cockpit. Hofstedes Frage – »Wie häufig kommt es Ihrer Erfahrung nach dazu, dass ein Mitarbeiter sich nicht traut, einem Vorgesetzten mitzuteilen, dass er anderer Meinung ist?« – war genau die Frage, die Experten den Ersten Offizieren in Bezug auf ihren Umgang mit dem Flugkapitän stellten. Außerdem machte Hofstedes Arbeit auf etwas aufmerksam, an das zuvor niemand in der Branche gedacht hatte: Wenn man einem Ersten Offizier beibringen wollte, selbstbewusst gegenüber seinem Flugkapitän aufzutreten, dann ging es auch um die Machtdistanz innerhalb der jeweiligen Kultur.
    Genau das meinte Ratwatte, als er sagte, amerikanische Piloten hätten sich nicht in so fataler Weise von den Fluglotsen im Tower des Kennedy Airports einschüchtern lassen. Die Vereinigten Staaten haben eine Kultur mit geringer Machtdistanz. Wenn es eng wird, greifen Amerikaner auf ihre amerikanische Art zurück, und das bedeutet, dass sie sich auf Augenhöhe mit dem Fluglotsen sehen. Und welches Land steht am anderen Ende der Machtdistanzskala? Kolumbien.
    Der Psychologe Robert Helmreich, der mehr als jeder andere die Auswirkungen der Kultur auf das Verhalten der Piloten betont, verfasste nach dem Absturz der Avianca-Maschine eine brillante Analyse des Unglücks, in der er behauptete, man könne das Verhalten von Klotz nur verstehen, wenn man seine Nationalität kenne. Die Schwierigkeiten, die er am Tag des Unfalls gehabt habe, seien die Schwierigkeiten eines Menschen gewesen, der einen tiefen Respekt vor Autoritäten empfinde. Helmreich schrieb:
    Aufgrund der typisch großen Machtdistanz der Kolumbianer könnte es der Erste Offizier als zutiefst frustrierend empfunden haben, dass der Kapitän keine klaren (oder gar autokratischen) Entscheidungen traf, wie sie in Kulturen mit großer Machtdistanz erwartet werden. Der Erste Offizier und der Bordingenieur warteten möglicherweise darauf, dass der Kapitän Entscheidungen traf, und waren nicht bereit, Alternativen anzubieten.
    Klotz begreift sich selbst als Untergebenen. Es ist nicht seine Aufgabe, die Krise zu bewältigen. Das ist allein Verantwortung des |185| Kapitäns, doch der ist erschöpft und sagt nichts. Dazu kommen die tyrannischen Fluglotsen des Kennedy Airports, die die Flugzeuge herumkommandieren. Klotz versucht ihnen mitzuteilen, dass sie sich in einer Notlage befinden. Doch er verwendet dazu die Sprache seiner Kultur und verhält sich so, wie sich ein kolumbianischer Untergebener gegenüber einem Vorgesetzten verhalten würde. Doch die Fluglotsen sind keine Kolumbianer. Es sind New Yorker aus einer Kultur mit geringer Machtdistanz. Sie sehen keinen hierarchischen Unterschied zwischen sich und den Piloten. Wenn sie die indirekte Sprache eines Piloten hören, dann bedeutet das für sie nicht, dass der Pilot ihnen mit dem Respekt begegnet, der einem Vorgesetzten gebührt.
Es bedeutet, dass der Pilot kein
Problem hat
.
    An einer Stelle des Protokolls ist das kulturelle Missverständnis zwischen den Fluglotsen und dem Ersten Offizier so offensichtlich, dass es beinahe wehtut. Es ist der letzte Wortwechsel zwischen Cockpit und Tower, wenige Minuten vor dem Absturz. Auf die Frage, ob die Maschine noch über ausreichend Treibstoff verfügt, hat Klotz gerade geantwortet: »Ich nehme an. Vielen Dank.« Kapitän Caviedes wendet sich an Klotz.
    Caviedes: Was hat er gesagt?
    Klotz: Er ist ärgerlich.
    Ärgerlich! Das hat die Gefühle von Klotz verletzt. Das Flugzeug ist Minuten von einer Katastrophe entfernt. Doch Klotz ist nicht in der Lage, den Gesetzen seiner Kultur zu entkommen, nach denen ein Untergebener zu respektieren hat, was seine Vorgesetzten ihm vorschreiben. Seiner Ansicht nach hat er alles getan, um seine Notlage zu kommunizieren, und er ist gescheitert. Er kann nur zu dem Schluss kommen, dass er irgendetwas getan haben muss, mit dem er seinen Vorgesetzten im Tower beleidigt hat.
    Nach dem Absturz in New York traf sich das Management von Avianca zu einer Krisensitzung. Die Fluggesellschaft hatte in rascher Folge vier Abstürze zu verzeichnen gehabt – in Barranquilla, |186| Cucuta, Madrid und New York –, und in allen vier Fällen waren »die Flugzeuge in perfektem Zustand, die Mannschaft gesund und durchschnittlich bis überdurchschnittlich qualifiziert. Trotzdem kam es zu diesen Unfällen.«
    Vor dem Unfall in Madrid hatte der Copilot versucht, den Kapitän auf die Gefährlichkeit der Situation hinzuweisen:
    Der

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