Uebergebt sie den Flammen
stillsteht.
Wendel strich die hellen Strähnen aus der Stirn.
»Fährmann sein, das könnte ich.« Sie ballte die Faust. »Auch wenn ich eine Frau bin.«
Ihre Hand, die den Maulriemen hielt, wurde nach oben gerissen, nach unten gezerrt. Wild nickte Aga mit dem Kopf, schnaubte in Stößen, Stolpertritte, der mächtige Pferdeleib ruckte zur Seite, drängte hart gegen Wendel. Schwerfällig versuchte die Stute zu steigen, fiel zurück, und wie Hammerschläge knallten die Hufe auf die Planken. Mit beiden Händen klammerte sich Wendel in das Zaumzeug, wurde gestoßen, ließ nicht los. Sie kämpfte. Heftig schwankte der Karren, jeder Ruck lockerte die Holzkeile an den Rädern. Weit aufgerissene Augen der Fährgäste, kein Schrei. Rauschend trieb die Fähre in die Mitte des Stroms, in den höchsten Moment der Überfahrt. Wasser spritzte. Noch breitbeinig schrie Reinhold: »Runter! Runter mit dem Gaul!«
»Nein!« Wendel warf sich an die Stute, umschlang mit beiden Armen den Hals. Nur von weitem hörte sie die Stimme des Fährmanns. »Treib den Gaul runter! Eh wir alle absaufen!« Den harten Griff an ihrer Schulter wehrte sie ab. Wendel versuchte den Pferdekopf zu halten. »Aga.« Sie keuchte den Namen, flehte und stemmte sich mit dem ganzen Körper gegen das Aufbäumen. Wille gegen Kraft. Aga stand still, schnaubte und zitterte. »Ruhig, Aga.« Langsam löste Wendel die Arme, griff mit der rechten Hand in die Mähne, rieb die Fingerkuppen in das harte Haar, fest strich sie die Linke über den langen Nasenrücken hinunter bis zur weichen Haut, dann legte sie behutsam ihre Handmuschel auf die geblähten Nüstern. Der Atem wurde ruhiger.
Ein fester Schlag traf ihren Rücken. Sie wandte den Kopf. »Weibsstück«, brummte der Fährmann, sah ihr in die Augen und kehrte auf seinen Platz zurück.
Wendel lehnte die Stirn an den Hals des Pferdes. »Was hast du nur?« Aga war alt, erfahren und nicht schreckhaft wie ein Fohlen. Wendel verstand die Unruhe nicht. Schon am Morgen wollte sich die Stute nicht anspannen lassen, sie hatte sich nicht gewehrt, doch Wendel hatte den Widerstand gespürt.
»Schlagt! Schlagt!« Kürzer, schneller wurden die Befehle, und die Ruderer trieben die Ponte gegen die Strömung flussaufwärts, das letzte Stück der Überfahrt forderte alle Kraft.
Endlich. Der flache Rumpf schleifte über die runden Kiesel und schob sich halb aus dem Wasser. Mit dem Tau in der Hand schritt der Fährmann über die Stirnrampe ans Ufer, warf die Schlinge und zog den Knoten fest. Der Pendelschlag vom Büdericher zum Weseler Ufer war getan.
Stumm rafften die Fährgäste ihre Habe. Während Kräutermann und Handwerksbursche mit sich selbst beschäftigt sofort den Kiesweg zur Straße hinaufeilten, seufzten die Marktfrauen und atmeten die schwüle Luft wie ein Geschenk. Erst nach heftigen Kreuzzeichen lösten sich ihre Zungen, laut und gleichzeitig wiederholten sie das Unglück, und Satz für Satz wuchs die Gefahr, der sie entkommen waren. So gingen sie davon.
Wendel nahm die Holzkeile von den Rädern und warf sie in den Korb auf der Ladefläche. Willig zog die Stute den Wagen über die Rampe. Reinhold erwartete sie. »Weibsstück.« Mit verschränkten Armen stand er auf dem festen Kies und versperrte der jungen Frau den Weg. »Wolltest uns wohl alle ersäufen?«
Ihre Wangen waren noch von der Anstrengung gerötet. »Ist doch gut gegangen, Reinhold.« Sie hob die Achseln und lächelte in das unwirsche Gesicht. »Ich musste es schaffen. Was hätte ich dem Vater sagen sollen, wenn ich den Karren nicht abgeliefert hätte, wenn ich ohne Aga zurückgekommen wäre?«
Der Fährmann verengte die Augen, noch grimmiger sah er aus. »Ist gut, Mädchen. Hat mir gefallen, wie du den Gaul genommen hast. Hat mir gefallen.« Er stieß kurze Laute aus und hustete, so lachte er, sein Gesicht blieb wie immer.
»Bis zum Mittag bin ich zurück.« Wendel führte das Gespann weiter.
»Eil dich. Wir kriegen heute noch ein Wetter.« Reinhold zeigte zum weißlichen Himmel, die Sonne war eine matte Scheibe. »Bei Blitz und Donner bring ich kein Tier nach drüben.«
Über die Schulter rief Wendel: »Ich liefere den Karren beim Fischhändler ab, kaufe noch Gemüse und bin schon wieder da.« Sie hob leicht die Hand.
»Gutes Weibsstück.« Reinhold sah ihrem Gang nach. »So gerade. Wer die mal kriegt, der hat was.«
Südwärts, außerhalb der Stadtbefestigung, noch oberhalb des Bauerndorfes mündete die Lippe in den Rhein. Wie ein Hexenfinger
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