Uebergebt sie den Flammen
sie die Frage und verschränkte die Arme vor dem Mieder.
Seine Zunge glitt über die Unterlippe. Er wählte in den Fischleibern, griff einen Aal und packte ihn mit beiden Händen am Kopf. »Willst du den nicht der Heixerin mitbringen?«
Von dir will ich gar nichts. Sie zögerte. Bestimmt würde sich die Mutter über einen Aal freuen, ein Aal wäre schön. Breit stellte sich der Fischhändler vor sie hin und schob den Aal mit der Linken langsam durch die Rechte nach oben. Der Kopf schien die Faust zu sprengen, wuchs heraus, der Umfang dehnte die Finger, weiter schob er den glitschigen Leib, zwei Handbreit, so zeigte er ihn. »Fass an. Ein fetter Aal, schön fest.«
Wendel rührte sich nicht, kühl sagte sie: »Mutter wird sich freuen.«
Ihre Abwehr schürte den Fischhändler, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, genüsslich ließ er das Kopfstück des Aals auf- und abwippen. »Pack zu. Das ist doch was für dich.«
Endlich begriff Wendel, gleichzeitig fühlte sie das Blut in die Wangen schießen, Kränkung und Scham hielten sie fest, zu lange dauerte es, bis die Abscheu den Zorn zuließ. Sie wandte sich ab.
Ihr Erschrecken trieb den Mann in brüllendes Gelächter. Er wedelte mit dem aufgerichteten Ende in der Luft, zeigte es seinen Gehilfen und den Umstehenden. »Das ist das beste Stück! Das beste Stück!« Sie verstanden schnell und lachten mit, das krönte seinen Spaß.
Ruhig griff Wendel nach ihrem Korb, warf die Holzkeile dem Fischhändler vor die Füße, nahm Aga am Halfter und ging. Sie beeilte sich nicht. Hinter ihr lachten die Männer. Den Kopf hocherhoben schritt Wendel neben der Stute her und zog sie in die Quergasse, die zum Marktplatz führte.
Wendel war nicht böse, eher wütend auf sich selbst. Sie kannte solche derben Scherze, selbst die beiden Gesellen des Vaters wagten hin und wieder einen Spaß mit Worten oder Gesten, allerdings nur, wenn der Meister nicht in der Nähe war. Es war ihr angenehm, den langen Blick zu spüren, sie freute sich, wenn ihr bei einem Fest der Arm gedrückt wurde oder einer der jungen Männer aus der Nachbarschaft am Tag gleich dreimal in die Werkstatt kam, um jedes Mal nur einen Nagel zu kaufen. Doch der Fischhändler hatte sie überrumpelt. So kalt, so tot. Wendel schüttelte sich. So schnell esse ich keinen Aal mehr.
Am Rand des großen Platzes schlang sie das Lederband um einen Pfahl und strich Aga leicht über den Hals. »Ich bin gleich wieder da.«
Mit den Augen atmete sie das Treiben ein, Markttag, dann schlenderte sie zu den Ständen hinüber, reihte sich ein. Tuche, Wolle, Geschirr, Tröge und Bottiche, Wannenkrämer boten aus ihren Bauchläden Zwirn, Nadeln, Knöpfe an, da gab es Messer und Scheren, dort Honig, gleich daneben Mus oder getrocknete und frische Kräuter, Stimmen überboten sich. Der tägliche Markt in Wesel war üppiger, lebendiger als der in Büderich, selbst an solch einem schwülen Vormittag. Wendel dehnte den Rücken. Doch in der nächsten Woche, am 8. September, an Maria Geburt, beginnt zu Hause der große Jahrmarkt. Einen Monat lang Gaukler, Kaufleute und Schausteller, Fremde von überall her. Solch ein Fest gibt es nur in Büderich. Wendel liebte die hohe Zeit des Spätsommers. Der Himmel hatte an Schwere zugenommen. Auch wenn es ein Gewitter gibt, dann warte ich eben. Sie wollte den Tag auskosten, müßig sein. Nein, ich eile mich nicht.
Am Brunnen tauchte sie beide Arme tief ins Wasser und kühlte sich mit den Unterarmen Stirn und Wangen. Nur bis zum Brunnen reichte der Markttrubel. Drüben, vor der Rückfront der St.-Willibrord-Kirche waren Ziegelsteine geschichtet. Um den alten Langbau ließ der Stadtrat neue Seitenschiffe errichten, ein Dom sollte entstehen. Wir benötigen Ziegelsteine für die neue Kirche! Der Stadtrat wusste sich zu helfen. Streng urteilte das Gericht über die Verfehlungen der Bürger. Du hast die Ehe gebrochen. Zur Strafe wirst du 15 000 Steine zum Bau des Doms liefern! Und du? Du hast den Lehrer vor seinen Schülern übel beschimpft und ihn mit Pferdemist beworfen. Zur Sühne gibst du 3000 Ziegelsteine. Noch wurde gebaut, noch war die Erweiterung des Gotteshauses nicht abgeschlossen, durch den Spalt zwischen den hochgereckten neuen Mauern war die Form der alten Kirche noch zu erkennen.
Drüben, aus dem Portal an der Südseite, traten zwei Männer ins Freie. Den einen erkannte Wendel sofort, nicht am Gewand, sondern an dem hellen Haarschopf. Der mit der Mähne, das ist unser Vikar aus Büderich, der vom
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