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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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krümmte sich der stille Seitenarm an der Wehrmauer entlang, speiste erst die Stadtgräben, bevor er sich unterhalb von Wesel träge in den großen Strom ergoss. Eine Holzbrücke überspannte den alten Lippearm. Mit dem Karren konnte Wendel nicht gleich am Mühlenturm durch das enge Klostertor in die Stadt. Sie führte Aga zwischen Kloster und Gärten an den Wehranlagen entlang bis zum weiten Löwtor.
    Neben der Zufahrt stapfte ein Kaufmann in kurzen Schritten vor seinem Wagen auf und ab. Die Plane war zurückgeschlagen, und ein Zollbeamter prüfte unterstützt von Stadtsoldaten jeden Ballen, jedes Fass. Er ließ sich Zeit, errechnete umständlich die Steuer und genoss seine Pflicht, während der Händler nur mit Mühe die Fassung bewahrte. In der Stadt war Markt, jede Viertelstunde hier draußen schmälerte das Geschäft.
    Ungehindert zog Wendel an den Zöllnern vorbei und näherte sich dem Tor. Kaum hatten die beiden Wachen die junge Frau erkannt, als sie ihre Spieße reckten und sich wie Hähne plusterten.
    Die da, diese Kerle, genoss Wendel und machte weite Schritte, dass sich der Rock um das ganze Bein legte, das Gesicht geradeaus und unbewegt, so ging sie zwischen den Posten her, führte Aga und den Karren in die Stadt. Sie wusste, mit welchen Blicken ihr die Torwachen folgten. Jeder junge Mann kannte die Wendel Heix aus Büderich, jeder hatte irgendwann einmal an sich und die Tochter des Wagenmachers gedacht. Sie war eine gute Partie, außerdem genügte ihr Anblick allein, um Wünsche zu haben, vor allem aber war bekannt, dass sich Wendel, trotz ihrer 20 Jahre, bisher für keinen Mann entschieden hatte.
    Über den Giebeln der Häuser erhob sich der mächtige Turm der Kirche des heiligen Willibrord. Noch vor dem großen Platz bog Wendel nach links in die Seitenstraße zum Fischmarkt ab. Wie Juchte, wie gedunsener Rheinschlamm, solch ein Geruch stand in der Schwüle des Vormittags über den langen Brettertischen, auf denen die Händler frischen Aal. Stör und Barsche ausgebreitet hatten. In Salzkisten lagen Scholle, Rochen und Meerschwein. Weidenkörbe waren abgedeckt, im Stroh schimmerten dicht an dicht gepackt die Leiber von Bollich und Salm. Hin und wieder entdeckte Wendel ein Heringsfass, randvoll mit im Salzsud lagernder Köstlichkeit. In dichten Schwärmen drängten sich Mägde und Bürgerinnen, Handwerker und Stadtherren, zwischen ihnen Mönche und Klosterfrauen, an den Ständen und ließen die Händler die Fische wenden, prüften sie nur mit den Augen, denn jeder, der die Ware berührte, musste kaufen oder Strafe bezahlen.
    Mühsam kam Wendel voran. Aufgereizt durch die Schwüle schimpften die Bürger über das Hindernis, immer wieder weigerte sich Aga, in dieser Enge und Unruhe weiterzugehen. Am unteren Ende des Marktes bot ein wohlhabender Fischhändler rechts und links der Straße gleich auf vier Tischen seine Waren an. Ihm gehörte der Karren. Von weitem erkannte er Wendel, gab rasch den Gehilfen Anweisungen und wischte die Hände am Brustlatz der Schürze, gleichzeitig leckte er seine Unterlippe.
    Wendel versteifte den Rücken. In der vergangenen Woche war sie dem Mann zum ersten Mal begegnet. Er stand vor der Werkstatt und zeigte dem Vater den angebrochenen Achsenblock seines Karrens. Sobald Wendel den Hof betrat, hatte er sie angestiert, und seine Zunge war nass über die Unterlippe gefahren.
    Den gleichen Ekel empfand sie jetzt. Er grüßte breit und reckte die Arme nach ihr wie nach einem schmackhaften Stück Fleisch. Stumm nickte Wendel ihm zu und spannte die Stute aus. Ohne die Achse zu prüfen, schob sich der Fischhändler heran. »Gute Arbeit. Sag deinem Vater, ich komme morgen nach Büderich und bezahle.«
    Wendel roch seinen Atem und bog den Kopf zurück. »Nein, gleich. Ich soll das Geld mitbringen.«
    »Gut. Reden wir über den Preis.« Damit griff er nach ihr.
    Wendel wich einen Schritt zur Seite. »Du kennst den Preis.«
    »Schon gut. Ich mein ja nur.« Er feixte selbstgefällig. »Früher hab ich die Fische mit der Hand aus dem Wasser geschnappt.«
    Jetzt bist du zu alt, zu fett und zu schmierig, dachte sie, wiederholte und stärkte sich an jedem Wort. Laut zählte er die Geldstücke in einen Leinenbeutel, zog die Schnur, schaukelte ihn vor ihrem Gesicht. »In meinem Sack ist Gewicht. Davon hab ich noch viel mehr.«
    Wendel riss ihm das Geld aus der Hand.
    Unbeirrt blieb sein Feixen. »Auch wenn du tust wie ein Dörrfisch, mich täuschst du nicht.«
    »Was meinst du?« Sofort bereute

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