Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
Zug an sich vorüberziehen und zuckten die Achseln. In sicherem Abstand folgten Kinder, erst als der Trupp nach dem Pfaffentor zur Trankgasse abschwenkte, rannten sie mit Geheul davon.
    Entlang der Dombaustelle fiel die Straße zum Rhein ab, den Blick auf den Strom versperrte das Trankgassentor, daneben ragte der Frankenturm, klobig, unüberwindbar. Nach dem Dom die Treppen der Marienkirche, die schmierigste Kloake der Stadt.
    Wieder versuchte Adolph, den Gewaltrichter zu stellen.
    »Halt dein Maul. Sonst stopf ich dir deinen Magister zwischen die Zähne.« Darauf wusste Adolph keine Antwort.
    Neben der Pforte die enge Tür. Adolph drängte sich hinter den Gerichtsdienern in das Verhörzimmer. Der Burggraf, der Herr des Frankenturms, der Befehlshaber des Gefängnisses, beugte sich zu dem Gewaltrichter, hörte ihm zu, seine Miene verhärtete sich, er nickte, gab leisen Befehl, und hastig verließ einer der Knechte den Raum.
    Sein Gesicht veränderte sich, überaus freundlich, beinah zuvorkommend lud der Burggraf den Schulmeister ein. »Magister, wollt ihr dem Gefangenen noch etwas sagen?« Mit einer Handbewegung befahl er die Gerichtsdiener hinaus.
    Johann drängte sich in die äußerste Ecke des Raums. Gerade will ich dem Freund in die Augen blicken. Mit dem Rücken fand er Halt an der grobgefügten Mauer. Er soll mich aufrecht sehen.
    »Mein Bruder.«
    »Sorg dich nicht um mich, Adolph.« Seine Stimme klang sicher, die nach hinten gebundenen Hände fingerten im sandigen Mörtel zwischen den Steinen.
    »Deine Verhaftung ist ein schändliches Unrecht. Alle Freunde sollen es von mir erfahren. Und wir werden bei dem Prozess aufstehen und diese Willkür anklagen.«
    Johanns Augen wurden weit. »Ich habe keine Angst«, flüsterte er, und es war nur eine schützende Lüge, um das Elend zu verbergen.
    Kurz wandte Adolph den Kopf. In ein Gespräch mit dem Gewaltrichter vertieft, schien der Burggraf ihnen keine Beachtung zu schenken. Adolph legte dem Freund beide Hände auf die Schultern. »Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen, Johann, weder Verfolgung noch Gewalt.« Er zog den Kopf an seine Stirn. »Bleib stark, mein Bruder.« Hastig raunte er: »Hast du dein Buch?«
    Johann nickte. »Beide. Das Alte und das Neue.«
    »Das Neue Testament? Die deutsche Lutherbibel genügt dem Inquisitor.« Adolph tastete nach den Taschen des Freundes.
    »Lass sie mir.« Müde lächelte Johann. »Beide sind in lateinischer Sprache.«
    Adolph atmete auf, umarmte den Freund wieder, dann trennte er sich. Ohne den Burggrafen zu beachten, schritt er zum schmalen Ausgang, wandte sich nicht mehr um.
    Kaum war der Schulmeister gegangen, brachen die Männer ihre Unterhaltung ab. »Ich hoffe, die Zeit reichte«. Der Burggraf schlug die Hände zusammen.
    »Wenn es drauf ankommt, ist unser feiner Greve schnell wie ein Wolf.« Über den eigenen Witz brach der Gewaltrichter in Gelächter aus, beide vergnügten sich, wieder ernst fuhr er fort: »Beim Rat erreichen wir heute nichts mehr.« Er strich sich über den Amtsrock. »Das hat Zeit bis zum Montag.«
    Befriedigt reckte sich der Burggraf und schnippte dem Gefangenen.
    Johann nahm es nicht wahr, er starrte durch ihn hindurch wie in einen leeren Raum.
    »Beweg dich, Kerl!«
    Auch dem Befehl gehorchte Johann nicht, blieb an die Mauer gepresst stehen. Der Raum füllte sich, Gestalten ohne Gesichter, meine Gemeinde wartet. »Im Namen des Vaters!«, begann er mit mächtiger Stimme.
    »Er ist jetzt schon blöde«, kicherte der Gewaltrichter, »dabei hat es noch gar nicht angefangen.«
    Dem Burggrafen sprangen die Adern auf die Stirn, seine Stiefel knallten über die Bohlen, er packte Johanns Haarschopf, und grob riss er seinen Gefangenen aus der Ecke. »Deinen Vater kannst du später benachrichtigen. Du bist hier im Namen des Rates. Also beweg dich, sonst reiß ich dir den Kopf runter. Du hast es nicht mehr weit.«
    Riegel, Johann stürzte, Riegel. Die Handfesseln hatten sie ihm nicht gelöst. Beim Fall war er mit dem Gesicht auf den harten Boden geschlagen, es gab nur wenig Stroh. Später rollte er sich zur Seite, sah dem grauen Lichtspalt in der Kerkermauer zu, bis er erloschen war.
    Der Riegel wurde zurückgeschoben, für einen kurzen Moment fiel Lampenschein in die Zelle und blendete Johann, er schloss die Augen, hörte nur, wie ein zweiter Gefangener hereingestoßen wurde, dann wieder das Schnappen des Riegels.
    Der Neue atmete schwer, tappte durch den Kerker, seine Füße schabten über den Boden.

Weitere Kostenlose Bücher