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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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leise.
    Der Dominikaner hob kurz die Brauen, er schien verwundert, zum ersten Mal blickte er den Angeklagten an. »Willst du den Schwur zum Possenspiel machen? Erneut vor Gott und den Heiligen deinen verräterischen Eid ablegen?«
    Heftig schüttelte Johann den Kopf.
    Der Inquisitor nahm das Blatt wieder auf. »Jedes Geschwür muss aus dem Körper der Heiligen Kirche herausgebrannt werden. Dennoch sind wir voll Gnade, werden den schändlichen Sünder nicht zertreten. Nie darf er das Tageslicht in Freiheit Wiedersehen. Kerker bis zum Tod.«
    Konrad Köllin wischte mit der Hand über den Tisch, nur ein Schlenker. »Weg mit ihm.«
    Vor ihm schritt der Unterdechant des Domkapitels. Geh nicht so schnell, verdammter Pfau, stumm herrschte ihn Johann an. Seit dem Urteil, seit Pläne und Hoffnungen zerplatzt waren, fühlte er sich frei. Auf seinen Wangen glänzten die Tränen. Ich könnte vorwärts springen, ihm den Federhut vom Kopf schlagen.
    Noch einmal den Himmel sehen! Johann atmete in das Blau, sehnte sich weit hinüber nach Büderich. Von rechts und links stießen ihn die Kerle weiter. Keine Büttel der Stadt, überlegte Johann, sie tragen keine farbigen Hüte, nur gedungene Wächter des Greven. Wütend traten sie nach den Hühnern, die vor ihnen im Dreck scharrten. Gackernd flatterten sie zur Seite, zankten sich um Brotkanten. Bettler, Abfall, dort drüben die bunten Stände der Krämer, nie war Johann der Domplatz so prächtig erschienen, gierig saugte er Bild um Bild in sich auf. noch nie war ein Weg so kurz.
    Sie hatten die hohe Domtür erreicht. Wie ein Maul, wie ein dunkler Schlund. Sie mussten Johann hineinziehen. Dieses bunte Glas der Fenster ist nichts als erkaltete Glut der Hölle. Sie führten Johann durch den Innenraum bis zur gegenüberliegenden Mauer, ein Durchgang und dort eine Seitentür.
    Am Fuß der Wendeltreppe hockte ein Mann, das Wams zerschlissen. Er sprang auf, dienerte vor dem Unterdechanten, überreichte ihm eine der beiden Laternen und grinste zu Johann hinüber.
    Du bist es? Fast enttäuscht erwiderte Johann den Blick.
    Nicht die finstere Miene eines Kerkermeisters, ohne buschige Brauen, keine Furcht erregende Narbe. Vom Bier und Schnaps war die Nase rotgedunsen, aus wulstigen Ringen blickten freundliche Augen.
    »Vorwärts, Peter.«
    »Der Peter vom Petersloch«, begrüßte er seinen Gefangenen und nahm das zweite Licht. Trotz der rundlichen Fülle wieselte er die Stufen der Wendeltreppe hinauf, schlug den Schlüsselkranz wie einen Schellenring gegen die Steine. Hoch oben endete die Stiege an einer mannshohen Öffnung der Mauer. Peter hatte schon die rostüberzogene schwere Pforte aufgeschlossen, wartete, bis der Gefangene und nach ihm der Herr vom Domkapitel angelangt waren.
    »Bring ihn unter, Peter.« Der Unterdechant keuchte, das Steigen hatte ihn angestrengt. »Zweimal am Tag bekommt er sein Essen, solange er durchhält. Das Geld holst du bei mir.«
    Abschätzend betrachtete Peter den Gefangenen. »Glaubt nicht, dass er teuer wird«, zwinkerte vergnügt, »der nicht. Herr.«
    Die leicht gesagten Worte legten sich wie Gewichte um den Hals. Es ist Wirklichkeit, kein Traum, der vorbeigeht, ich bin wach. Johann sah, wie die weiche Hutfeder langsam hinunterhüpfte und in der Kehre verschwand.
    »Wie heißt du?«
    »Johann Klopreis.«
    Der Wärter hob die Lampe. »Ich nenn dich Johann.« Er ließ dem Gefangenen den Vortritt in die Mauer, leuchtete ihm durch den engen Gang. An der zweiten Eisenpforte hob er das Licht, zeigte stolz zurück. »So lang wie der Gang, so dick ist ein Pfeiler unseres Doms.«
    Johann zitterte.
    »Der Anfang ist schlimm. Weiß ich, weiß ich.« Der Schlüssel drehte sich im Schloss, die eisernen Angeln quietschten nicht, leise schwang die Pforte auf. »Bück dich. Drei Stufen runter. Und schon sind wir da.« Ein niedriges Gewölbe. Peter schloss ab. »Hier sitzt man besser«, scherzte er und stellte die Lampe auf einen schmalen Tisch, hockte sich auf den einzigen Schemel.
    So eng, wenn ich mich lege, stoße ich mit dem Kopf und den Füßen an die Mauern. Vergeblich suchte Johann nach einem Strohsack, entdeckte nur mit Streben verbundene Bretter auf dem Boden, daneben einen Korb, Eisenringe als Henkel. »Wie soll ich hier …?«
    »Nicht fragen.« Peter schnäuzte sich in die Hand und rieb sie an seinem Wams trocken. »Alles der Reihe nach, wir haben viel Zeit.«
    Umständlich befestigte er den Schlüsselring am Gürtel und schob die Ärmel zurück. »So, mein Johann.

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