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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Erst mal die Regeln. Brüllen darfst du hier, so viel du willst. Der letzte hat sich fast die Kehle rausgeschrien. Mich stört das nicht, draußen hört dich keiner, und die Messe kannst du auch nicht stören. Wenn du freundlich zu mir bist, bekommst du pünktlich dein Essen, und wenn ich gut gestimmt bin, auch mal was Feines.« Er leckte über seine Lippen. »Nicht nur, was du denkst, sonntags ein Stück Wurst. Ich mein auch mal einen kleinen Schluck, wenn ich selbst was hab.«
    Nichts hat er von einem Kerkermeister, wunderte sich Johann, er plaudert, als wäre er mein Kamerad. »Werden wir hier zusammen leben?« Johann glaubte es nicht, wusste aber keine andere Lösung des Rätsels.
    Beide Fäuste legte Peter auf dem Tisch zueinander. »Nein, nein, mein Freund. Auf dich muss niemand mehr aufpassen. Ich brauch dir nur das Essen ranschaffen, aber ich komm oft her, hier hab ich Zeit, und wenn ich einen Rausch hab, dann schlaf ich hier auch.«
    »Aber …?« Johann begriff nichts.
    »Nicht fragen. Ich bin noch nicht fertig.« Hart schlug Peter die Fäuste auf die Tischplatte. »Der letzte hat mich beim Herrn angeschwärzt, ich würde saufen, wenn ich hier bin. Nichts hat es ihm genutzt, verreckt ist er. Also, wenn jemand von den Feinen dich was fragen will oder sie dir den Henker schicken, egal wer kommt, sag nichts über mich, sonst ist Schluss mit der Gemütlichkeit. Verstanden?«
    Warum redet er so viel? Johann schüttelte den Kopf.
    »Verstanden?«, fauchte Peter.
    »Natürlich. Verzeih.«
    »Das ist gut«, wieder sanft zeigte Peter zur Decke des Gewölbes. Ein Flaschenzug, der Haken hing unter den Rollen, der Strick daneben. »Ist hier nicht mein Gefängnis?«, stammelte Johann, sein Blick sank auf die Bretter am Boden. »Das ist doch mein Bett.« Er konnte nicht schreien.
    Peter stand hinter ihm. »Wenn du ruhig bist, geht es leichter. Sonst schlitz ich dich.« Zum Beweis drückte er Johann die Messerspitze durch den Mantel, bis er den Rücken bog. »Deshalb muss ich so viel schwatzen. Ruhig sollst du bleiben, bis du’s begriffen hast. Und jetzt schieb die Tür weg.«
    Johann gehorchte. Unter den Brettern gähnte ein schwarzes Loch. »Den Haken runter. Befestige ihn am Korb. Mach’s ordentlich, sonst fällst du und brichst dir das Genick. Ich hatte mal so einen Dummkopf. Den Strick her.«
    Fahrig übergab Johann das Seil, das Zittern schüttelte ihn. Peter wand eine Schlinge, befestigte sie an einem Dorn in der Mauer. »Rein mit dir.«
    Kaum hatte sich der Gefangene hingekauert, als Peter dem Korb einen Stoß gab, frei schwankte Johann über dem Loch. »Bei dir war’s einfach«, strahlte der Kerkermeister. »Wenn man freundlich ist, geht’s noch leichter als mit Prügel.«
    Johann hatte die Augen geschlossen. Sorgsam gab Peter Hand um Hand das Seil nach, und der Korb versank.
    Nein, ich stürze nicht, langsam frisst mich der Abgrund. Sanft setzte der Korb auf.
    »Raus mit dir!« Dumpf tönte die Stimme von oben.
    Der Korb entschwand, verdunkelte die mattschimmernde Öffnung hoch über Johann, wurde zur Seite genommen.
    »Wir werden uns gut vertragen.« Nur die Umrisse seines Kopfes waren zu erkennen. »Ratten sind keine, die halten sich da unten nicht. Wenn du doch mal eine spürst, sag es mir. Ich schick dir dann ‘nen Eisenklotz runter, damit kannst du sie leicht zerquetschen. Mein Freund, wir werden uns gut vertragen.« Damit deckte er das Petersloch zu. Johann ertastete sein Gefängnis, stieß gleich an Steinwände, sah irgendwo über sich einen schmalen Lichtspalt in der Außenmauer. So weiß ich, wann Tag ist.
    *

U m ihre Füße schwappten die seichten Uferwirbel des Rheins. Nicht weit von der Anlegestelle wartete Wendel auf die Rückkehr der Fähre.
    »Vielleicht dieses Mal. Vielleicht. Bitte, Reinhold.« Wendel rieb die Fingerknöchel aneinander.
    Ihre Schuhe hatte sie unter einem Strauch versteckt, war barfüßig den Kiesweg hinunter und über die rundgewaschenen Kiesel einige Schritte flussabwärts gewatet, noch nah genug, um beim Anlanden der Ponte gleich zur Stelle zu sein.
    Dieser Lärm hetzt! Wendel presste die Hände schützend gegen die Schläfen, Flügelfedern wischten und schlugen in ihrem Kopf, es gab nicht genug Platz, bedrohlich verengte das ungestüme Treiben oben auf der Fahrstraße den Raum. Vor einigen Stunden war ein großer Wagentreck aus Holland bei der Fährstelle angekommen. Wendel ertrug keine Fragen, wollte keine Unterhaltung mit den Kaufleuten, sie war dem Trubel

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