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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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keinen Sieg erringen. Aber wir werden die Bürger mit der wahren Wahrheit aufwecken, und dann kommen wir zurück.«
    Als wollten sie auf ein Fest gehen. Wendel war verstummt. Ich glaube, um zu leben. Der Glaube ist doch für das Leben, nicht gleich für den Tod. Die unbekümmerte Zuversicht der beiden hatte Wendel noch tiefer in die Angst gestürzt.
    Adolph erhob sich, rückte den Hocker dicht an den Tisch. »Es ist Zeit.«
    Jetzt sind alle Worte gesagt, dachte Wendel, nur noch der Abschied. Johann trank die Schüssel leer und stellte sie hart und entschlossen ab.
    Greet gab noch Brot, Käse und getrockneten Fisch für die lange Wanderung und umarmte die Freunde. Erst als sie die Bündel umgeschnürt hatten, stand Wendel auf und ging zu ihnen.
    »Ich habe das Wort nicht vergessen, Adolph.« Sie drang in seine Augen. »Ist Gott mit uns?«
    »Emmanuel, Wendel.«
    Zu Johann reckte sie sich hoch, legte ihm den Finger auf die Stirn und zeichnete das Kreuz. »Du musst dich eilen. Sonst ist dein Sohn eher da, als du wiederkommst.«
    Draußen nahmen sie die langen Stecken in die Hand und schritten rasch davon.
    Greet und Wendel blickten ihnen nach, auch als die Dunkelheit sie längst aufgenommen hatte, lange noch.
    Später standen sie vor dem Tisch. In diese Ewigkeit hinein murmelte Greet: »Sie müssen zurückkommen.« Behutsam fuhr Wendel über den Rand der leeren Schüssel, aus der Johann gegessen hatte, sie nahm die Schale auf. »Ich werde warten, Greet.«
    Die Schüssel brach, Wendel hatte die Hand nicht bewegt, die eine Hälfte der Schale stürzte auf die Holzplatte, zersplitterte.
    Wendel öffnete den Mund, wollte schreien, das Entsetzen lähmte sie.
    »Nicht! Nicht, Kleines!« Greet schrie und stürzte zu der Freundin, wagte nicht, sie zu berühren. »Ruhig. Johann hat sie nur zu hart abgesetzt. Dieses Steinzeug springt manchmal schnell wie Glas. Sonst nichts, mein Kleines.«
    Haltlos flössen Wendel die Tränen aus den Augen. »Der Tod. Es ist das Zeichen. Wessen Glas zerspringt, der stirbt. Das weißt du doch.« Sie legte die halbe Schale zu den Scherben.
    Auch Greet weinte.
    *

» N ichts hat sich verändert, Adolph. Nichts, seit wir uns hier das erste Mal begegnet sind.«
    Ein heller Tag. Auf dem Weg zur Druckerei waren Johann und der Schulmeister stehen geblieben, wie müßige Reisende beobachteten sie das Treiben vor dem Dom, zwei unauffällige Fremde, der eine im kurzen Umhang, der andere trug die lange Schaube der Gelehrten.
    Johann legte die Hand über die Augen, glitt langsam den machtvollen Südturm hinauf, verzierte ihn selbst mit Figuren, sah Fratzen, Tiermäuler, Heilige. Vor dem Himmel brach der Turm ab, darüber ragte der Galgenarm des Holzkrans. Kein Heiliger baumelt am Seil, es hängt still. So riesenhaft, und doch ist der Turm nur ein Stumpf. Da und dort entdeckte Johann einen Handwerker, vereinzelt, wie verloren. Sie bauen nicht weiter, den Mut haben sie verloren, und niemand wird dieses Gemäuer vor dem Verfall retten können.
    »So ist die Papstkirche.« Johann hörte den Klang seiner Worte, erschrak, schluckte heftig, nein, ich habe keine Angst, er flehte um Leichtigkeit, doch die Stimme blieb gepresst. »Wie dieser Dom, Adolph, bald nur noch eine Ruine.«
    Verstohlen wischte er den Schweiß von der Stirn. Verfluchte Angst! Auf dem Weg von Büderich hat sie mir aufgelauert, unterwegs konnte ich sie leicht abschütteln. Jetzt überfällt sie mich, klammert sich fest. Und die Brüder in Köln erwarten, dass ich aufrecht vor das Gericht hintrete, Adolph spricht von meiner Kraft. Ich will sie beweisen! Mühsam zwang Johann die aufrollende Furcht zurück. Ich bin stark! Ohne dem neuen Zittern Raum zu geben, blickte er zum Dom hinüber.
    Hütten und Stände schwärten wie Grind, klebten am Fuß der Mauern. Grell priesen die Krämer geweihte Rosenkränze, Dreikönigen-Briefchen, Heiligenbilder und Kerzen an. Bettler lungerten zwischen Kot und Abfall, verlangten Almosen, wer nichts gab, den verfluchten sie oder drohten ihm mit den Stöcken nach.
    In Johann zerbröckelte die Kraft, Furcht brach durch den schwachen Schutz. Um das Raubtier niederzuzwingen, wollte er scherzen, wie ein Seher streckte er die gespreizte Hand. »Die Erde wird sich auftun und dies alles verschlingen!« Johann lachte, lachte lauter, sah seine Prophezeiung, der Dom fiel in sich zusammen, verschwand, und Johann lachte.
    Hart fasste Adolph seinen Arm. »Schweig! Wir dürfen nicht auffallen!« Sofort riss das Lachen ab, nur helle

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