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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Klage beim Reichskammergericht gegen den Rat der Stadt Köln und das schändliche Verfahren einzureichen. »Plötzlich wurden sie vorsichtig, mit solchen Wellen hatten die städtischen Wichtigtuer nicht gerechnet«, Fabritius ballte die Faust, »sie schlugen um sich, suchten nach den Schuldigen, die ihnen diesen Ärger bereitet hatten. Ich stand an erster Stelle. Einen Monat hielten sich mich gefangen, aber ich habe mächtige Freunde.«
    Nur schwer konnte Johann folgen, wollte dennoch alles wissen, stemmte sich gegen die Schwäche an. »Bitte, sag mir, wie es steht!«
    »Kein Urteil wurde in Worms gefällt, nur ein Beschluss erging vor Weihnachten an Köln. Der Schulmeister soll von anderen unbefangenen Richtern verhört werden. Der Prozess wird neu aufgerollt.«
    Mühsam hielt Johann sich an der Wand aufrecht. »Das Geistliche Gericht? Die Inquisition?«
    Fabritius nahm den geschwächten Mann in den Arm. »Sie dürfen ihn nur verhören, sollen ihr Urteil abgeben, mehr nicht. Deshalb musste ich dich jetzt befreien, noch bevor Adolph deinen Richtern überstellt wird. Sie dürfen euch nicht gegeneinander ausspielen können.« Fest drückte er Johann an sich. »Ich glaube an unsern Sieg. Auch Adolph fürchtet sich nicht. Du musst aus der Reichweite ihrer Arme. Der Weg ist nicht weit. Für deine Flucht ins Jülicher Land haben wir alles vorbereitet. Der Drost in Wassenberg gehört zu uns, bei ihm findest du Unterschlupf.«
    Er gab den Bruder frei, und Johann versuchte zu gehen, nur einige Schritte, dann musste Fabritius ihn stützen. Sicher führte er den Zitternden die Treppe in den Keller hinunter. »Jetzt überlasse ich dich den Händen meiner Frau.«
    Es war bereitet, der Anblick überwältigte Johann. An den Wänden flackerten Kerzen, er sah den hellgescheuerten Tisch, aus der Schüssel dampfte ein köstlicher Geruch. In der Mitte des Raumes stand der Waschzuber wie ein Thron, das Lager in der Ecke lud einen Fürsten ein, und warmes Lächeln nahm ihn auf.
    »Margaretha weiß, wie man die Schrecken des Kerkers besiegt-«, lachte Fabritius. »Als der Rat im Oktober meine Haft aufhob, schien mir die Freiheit wie ein Wunder, dabei war ich nur einen Monat auf dem Kunibertsturm eingekerkert. Wie groß muss dieses Glück erst für dich sein.« Während der Hebräer unermüdlich Eimer mit heißem Wasser herunterschleppte, den Zuber füllte, hockte Johann still am Tisch und weinte, versuchte das Glück seiner Wiedergeburt zu begreifen, nahm die heiße Brühe und aß sie folgsam wie ein Kind.
    »Das Bad soll dich durchwärmen. Den Gestank werden wir nicht gleich beseitigen können.« Ruhig saß Margaretha vor Johann. »Von deinem Gesicht erkenne ich nur die Augen. Den Bart, auch die Haare muss ich dir stutzen, sonst wirst du morgen am Tor für ein wildes Tier gehalten, und die Wachen nehmen dich fest.« Sie schmunzelte.
    Ängstlich wehrte Johann ab, »Nicht den Bart«, und schützte sich mit den Händen.
    »Zeig es mir«, forderte sie streng, zog die Lampe näher und legte seine Stirn frei, drang behutsam mit den Fingern durch das Bartgestrüpp, beim Anblick der blauschwarzen Narben stöhnte sie auf: »O mein Gott.« Sie untersuchte die eiternden Wunden um Mund und Nase. »Kein Tier, nur wir Menschen sind fähig, aus Lust, mit grausamer Freude den Nächsten zu zerstören.«
    Dampfendes Wasser füllte den Zuber, gemeinsam entkleideten sie Johann, Theodor rückte einen Klotz an den Bottich, und Margaretha warf die Lumpen zur Tür, nahm die nackte, dreckverkrustete Gestalt an der Hand.
    Johann riss sich los, wie im Wahn fingerte er nach dem Nabel, schlug gegen die Hüftknochen. »Wo ist er?« Als wäre alle Kraft in ihm, stürzte er vor den stinkenden Kleiderfetzen auf den Boden, zerwühlte Hemd und Hose. Ein Klageschrei, krächzend, so voller Weh. »Ich habe ihn verloren!«
    Sie knieten sich zu ihm. hielten ihn. Johann warf den Kopf hin und her, wollte sich nicht beruhigen, dann sank er zusammen. »Du bist bei Freunden, wir lieben dich. Du bist in Sicherheit, Bruder.« An den Schultern richtete Theodor den Unglücklichen hoch.
    Trostlos, wie ausgeleert, starrte Johann vor sich hin. »Ich habe ihn gehütet über die ganze dunkle Zeit, und jetzt, da ich es erfahren könnte, habe ich ihn verloren.«
    »Vom wem sprichst du? Der Kerker hat dich verwirrt.«
    »Nein!«, schrie Johann und schlug die Fäuste gegen die Stirn. »Der Brief! Du hast ihn mir gebracht. Doch ich hatte kein Licht, kein Licht!« Hilflos gab er sich dem

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