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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Schluchzen hin.
    Entsetzt blickten sich Margaretha und Theodor an, beide umarmten den Weinenden. »Still, Lieber, still«, flüsterte die Frau.
    »Alles hat seinen Sinn.« Schnell wuchs die Stimme des Hebräers in einen Triumph. »Sie haben mich verdächtigt und verhört, doch ich habe es zu Recht getan! Das weiß ich jetzt.« Er hob den Freund auf, Johann begriff die Freude nicht.
    »Mein Bruder, ganz Köln kennt deinen Brief und die Antwort, die Adolph dir schrieb. Wutentbrannt haben die Spione alle Druckereien durchsucht. Sie waren zu spät!«
    Johann ertrug es nicht, so dürft ihr mich nicht belügen, bitte nicht, langsam wich er zurück. »Ich habe ihn verloren.«
    Fabritius stürzte hinaus, kam atemlos zurück, streckte Johann einige Blätter hin. »Hier lies, er ist an dich gerichtet. Ich besitze ihn zwanzigfach.«
    Mit fahrigen Händen hielt er die Seiten. »Es ist nicht seine Schrift«, wehrte er ab.
    »So lies doch. Der Brief ist gesetzt und gedruckt, aber Buchstabe für Buchstabe sind es die Worte Clarenbachs an dich.«
    Johann fand seinen Namen. Ja, Adolph sprach ihn an! Mein Schatz ist geborgen, er glaubte es, wild tanzten die Zeilen, verschwammen ineinander. »Verzeih, ich kann jetzt«, stammelte er, »zu viele Wunder geschehen, meine Augen, ich kann nicht lesen.« Er gab die Blätter zurück, sein Körper wurde geschüttelt.
    Schnell half Margaretha dem frierenden Mann in den Waschzuber, er hockte sich, und bis zum Hals umgab ihn die Wärme.
    Nach tiefen Atemzügen kehrte zum ersten Mal Ruhe in sein aufgewühltes Herz, Johann wagte ein Lächeln. »Bitte, Theodor, lies ihn mir vor.«
    Margaretha hielt den Leuchter, vor dem Waschzuber standen die beiden dicht nebeneinander. »Jesus, Emmanuel.« Fabritius las mit warmer Stimme, begrüßte mit Adolphs Worten den so standhaften Freund.
    Johann lehnte sich zurück und schloss die Augen. Jetzt meinte er, auch die Stimme des Bruders zu hören. Tausend Briefe hatte er sich ausgedacht, doch dieser Text war mehr, viel mehr. Nur Adolph findet solche Worte voll Klarheit und Sicherheit im Glauben. Nie wird er den Herrn jemals verleugnen können.
    »Darum lasset uns mit Geduld auf ihn warten, nicht nachlassen mit Dank und Gebet. Emmanuel, Amen.«
    Fabritius legte den Brief auf den Tisch, still setzte Margaretha die Kerze ab. nach langem Schweigen öffnete Johann die Lider. »Es wäre mir leichter in meinem Kerker geworden, hätte ich ihn lesen können.« Sein Blick war klar und fest. »Ich danke euch. Mir war nie so wohl.«
    Sie wuschen ihn, schnitten das Haar, den Bart nur so, dass die meisten Narben leicht verdeckt blieben, rieben den Kopf mit dem Saft der Goldblume ein, »gegen Laus und Getier!«, lachte Margaretha.
    Den Kerkerknecht hatten Freunde im »Goldenen Hirschen« zum ewigen Wein verführt, ihn vollgeschüttet. »Bis er nicht mehr aufstehen konnte. Seit drei Tagen sitzt er dort und trinkt, schläft am Tisch und trinkt weiter.« Fabritius klatschte in die Hände. »Das wird ein Erwachen für diesen Trunkenbold!«
    Als sich Johann in Decken gehüllt auf dem Fürstenlager ausstreckte, schmeckte er die bittere Salbe, mit der sie die offenen Wunden eingerieben hatte. »Frauenmantel, Johannisblut und Marienkerze.« Aus ihrem Mund klingen selbst Kräuternamen wie Freiheit, ging es ihm durch den Kopf. Ich muss zu Wendel, dachte er noch.
    *

D rei aufgerissene Mäuler, keine oder nur winzige Zähne, doch Stimmen, ein Dreiklang, wie ihn nicht gespießte Ferkel und die Katze, wenn man auf ihr kniet, gemeinsam fertig brächten.
    Wendel kroch auf dem Boden der Wohnstube, suchte unter dem Tisch, zwischen Truhe und Schrank nach dem entschwundenen Holzkreisel. Hinter ihr das Gebrüll von Lisel und Lenel, Irmgard unterstützte die Schwestern, quietschte aus reiner Lust.
    Die drei Mädchen stemmten sich in ihre Lederleibchen, nur Träger und breite Bauchbänder, im Rücken ans Seil geknotet, die Enden waren am Pfosten zwischen Kammer und Stube in Eisenringe gehakt. Solange Wendel kochte, der Tiegel über dem Herdfeuer hing, und sie nicht Augen genug hatte, in dieser Zeit mussten die Mädchen ins Geschirr, die Leine erlaubte ihnen zu spielen, war kurz genug, um die Kleinen vor der Gefahr der Glut zu schützen. Beruhigt konnte Wendel die Arbeit im Haus erledigen, doch wehe, wenn das Spielzeug aus dem sicheren Seilkreis rollte, Kinderungeheuer!
    Endlich, hinter dem Schrank fand sie den vermissten Holzkreisel, sie erhob sich und hielt ihn wie ein Pfand hoch, 30 Finger reckten

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