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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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sich, sofort geriet das Geschrei zum Wettstreit, die pausbackige Irmel hatte sich auf den Bauch geworfen, stehen und ausdauernd zu brüllen war ihr zu unbequem.
    Und hätte ich drei Kreisel, drei Bälle, drei kleine Hexenbesen, sie wären nicht genug. Das Spielzeug, mit dem die Schwester gerade spielt, nur das gefällt den anderen. Entschieden ging sie durch das Gezeter hindurch und ließ den Holzkegel vor dem Pfosten tanzen. Gierig fielen die beiden Großen über den Kreisel her. Zu spät, doch voll Eifer, kroch Irmel in den Kampf.
    »Diese Weiberwirtschaft«, seufzte Wendel ergeben, »am Geschrei höre ich wenigstens, dass ihr gesund seid!« und kehrte zum Tisch zurück, putzte Kohl und zerkleinerte Möhren. Von neuem stieg das Geheul. Wendel schaute sich nicht um. schabte mit dem Messer eine Möhre blank, teilte sie in zwei gleichgroße Stücke, wählte ein Herzblatt aus dem Kohl, gut bewaffnet trat sie dem höllischen Dreiklang entgegen und atmete tief ein. »Teufelssakramost und Heideblitz!« Lang streckte Wendel ihren Töchtern die Zunge raus. Die Münder blieben offen, das Geheul war abgerissen, kein Erschrecken, helle Bewunderung malte die Gesichter, so viele Worte, so laut, das vermochte nur die Mutter.
    »Jetzt ist Ruhe in der Kirche!« Wendel reichte den Großen die Möhrenhälften, vor Irmel legte sie das Kohlblatt auf den Boden. »Raus mit euch.« Sie befreite nur Lisabeth und Magdalene aus dem Lederleibchen, streifte ihnen wollene Hänger über und gab der Großen den Holzball. »Nimm deine Schwester und spielt in der Scheune, draußen ist es heute zu kalt. Nicht am Brunnen die Eiszapfen pflücken, hast du verstanden? Ihr geht in die Scheune.«
    Eifrig nickte Lisel, und beide schlüpften aus der Stube.
    »Der Herr sei gepriesen!« Friede war eingekehrt. Irmel lag auf dem Rücken, versuchte mit beiden Händen, das gelbweiße Herzblatt in den Mund zu schieben. Erleichtert warf Wendel das Gemüse in den Tiegel und rührte es in den brodelnden Sud.
    Gebrüll vom Hof her! Die Kinder schrien in höchster Angst. Wendel stürzte zum Fenster, rieb das raue Glas. Mitten auf dem Platz stand ein Mönch, die Kapuze tief in die Stirn gezogen! »O Gott, hilf mir«, flehte sie. Beide Mädchen drängten sich an das Scheunentor. Warum geht ihr nicht hinein? Das ist keiner aus Dorsten, die tragen braune Kutten, gleichgültig, jeder Mönch bedeutet Gefahr für uns, das wissen meine Kinder. Dominikaner! Jetzt kannte sie die Reisetracht. Was will ein Dominikaner von uns?
    Die Angstschreie der Mädchen gellten. Unbeweglich stand der Kuttenkittel da, blickte nicht auf. Wendel steckte das Messer in die Gürtelschnur und rannte. In der Haustür blieb sie stehen. »Verschwindet! Lasst meine Kinder in Ruhe! Lasst mich zufrieden, ich habe Euch nichts zu sagen. Runter von meinem Hof!«
    Der Mönch rührte sich nicht von der Stelle, das Reisebündel fiel ihm aus der Hand.
    »Geht sofort in die Scheune!«, befahl sie den Mädchen. Lisabeth öffnete einen Spalt, zog die Schwester hinter sich her, und knarrend schwang das Tor wieder zu. Erleichtert griff Wendel an. »Was wollt Ihr?«
    Keine Antwort. Sie suchte nach dem Griff des Messers, umfasste ihn und ging los. Ihr Kutten habt mir genug genommen, wen wollt ihr jetzt? Nichts könnt ihr mir anhaben. Unsere Bibelstunden sind in Büderich geduldet, nur der Rat kann sie verbieten. Ihr schmutzigen Ordensschweine habt mir nichts zu befehlen. Kurz streifte ihr Blick die Wagnerei. Heute findest du niemanden!
    Wendel war vor dem schweigsamen Mönch angelangt. »Sagt, was Ihr müsst, dann verschwindet«, und voller Verachtung, »ehrwürdiger Vater!«
    Er hielt den Kopf gesenkt. »Das bin ich nicht. Unser Vater ist im Himmel.«
    »Was?« Wie eine langsame Faust grub sich die Stimme ein, traf den Schutzmantel, unter dem Wendel ihren Schmerz so mühsam verbarg und zerriss ihn. Wendel krümmte sich. Ich ertrage keinen Scherz. »Was?«, flüsterte sie.
    »Unser Vater ist im Himmel.« Er sprach leise, vorsichtig.
    Auf dem Weseler Markt, wir standen am Brunnen. Dieser Satz gehört uns. Nein, es ist Gaukelei, heimtückische Lüge. »Hebt den Kopf!« Sie hielt das Messer in der Hand. »Macht schon!«
    Leicht, kaum merklich bewegte sich die Kapuze. »Dies Gewand ist mein Schutz. Das Schaf trägt den Wolfspelz. Bitte, Wendel, mein Gesicht ist eine Fratze, grausamer als die eines Wolfs. Bitte, ich will dich nicht erschrecken.«
    Das Messer fiel. »Johann!« Ihre Stimme erstickte an dem Namen. Zu lange

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