Uebergebt sie den Flammen
kehrte sie zu einer Stelle zurück, wehrte sich gegen den Zweifel, doch sie konnte ihn nicht auslöschen, die Frage blieb. Diese und noch eine Antwort musste ihr Johann geben.
Erst spät in der Nacht fand Wendel den Mut. Sie hatten mit den Kindern getollt, nacheinander waren sie auf dem Vaterpferd durch die Stube geritten, dann auf dem Mutterpferd. »Kräftiger als meine Irmel könnte ein Junge auch nicht sein.« Johann hatte die Kleine bis an die Holzdecke gestemmt, endlich schliefen die drei.
Die Liebe war Entbehrung, Tränen, Besitz gewesen und ein Anfang der Lust. Alles wolltest du zugleich stillen, zärtlich hatte ihn Wendel gehalten, auch die Liebe lässt sich nicht nachholen.
Er lag neben ihr, atmete ruhig.
»Ich habe deinen Brief und seine Antwort gelesen«, begann sie leicht.
»Bevor er ihn drucken ließ, hat Fabritius meinen Brief ins Deutsche übersetzt.« Stolz schwang in seiner Stimme.
»Sie haben Adolph gedroht, behauptet, dass du ihm alle Schuld gibst, er habe dich angestiftet und verführt. Adolph ist ganz sicher, dass es nur Lügen sind.«
Johann setzte sich auf. »Ich bin kein Verräter, Wendel.«
»Das weiß ich, Lieber.«
Stöhnend warf er sich zurück. »Nie würde ich meinen Bruder beschuldigen, die Zunge sollte mir eher verdorren.« Den Kerker beschwor er herauf, die Maske, die Dornen, das zufriedene Gelächter des Schinders, kaum konnte er weitersprechen.
»Du bist sein Freund.« Wendel glaubte ihm, schämte sich für ihre Zweifel und suchte seine Hand.
»Das Schlimmste war, dass sie mir gleich nach dem Urteil mein Evangelium genommen haben. Meinen Trost fand ich nur in der Erinnerung an die Schrift.« Dicht rückte Johann das Gesicht zu Wendel. »Beide Testamente trug ich bei meiner Verhaftung in der Tasche. Bevor wir abgeholt wurden, habe ich mit ihm geteilt. Das Alte Testament gab ich ihm.«
Vor der Frage fürchtete sich Wendel. Vielleicht doch eine Woche oder drei Tage? Sie wusste, dass die Flucht nicht in Büderich zu Ende war.
»Morgen früh«, antwortete er.
»Wohin?«
Der Name, auf den Johann baute, war Werner von Palant, der Drost des Amtes Wassenberg. Begeistert schwärmte er, wie mutig der Drost sich vor alle Anhänger der neuen Lehre stellte. »Fabritius sagt, dass auf seiner Burg die Prediger des wahren Glaubens, die verfolgten Vikare, Schutz finden. Wie einen Freund liebt unser Herzog den Pfandherren von Wassenberg und duldet schweigend die Lutherei in seinem Amt.«
»Morgen schon?«
»Es ist keine Trennung, Wendel. Vielleicht zwei Tage, noch vor Aachen, weiter ist die Burg nicht von Büderich entfernt. Dort bin ich nicht im Kerker.«
Eine Flucht ins Paradies, so begeistert wie damals, als du auf dein Fest nach Köln gingst. »Ich werde dich besuchen.« Ihr Mund war trocken. »Morgen hole ich Greet und den Ochsenkarren, du verbirgst dich unter einer Decke, die Mädchen setzen sich auf ihren Vater, wenn sie Reiter spielen dürfen, lachen sie so vergnügt«, sie schluckte mühsam. »Ein Winterausflug, wie eine fröhliche Weibergesellschaft werden wir durch das Tor fahren, die Wachen schauen gar nicht auf. Für die Mädchen wird es ein Spaß.«
*
R egen, seit Monaten regnete es, ein Unwetter hatte das andere durch den Sommer getrieben, im August war der Wind abgeflaut, stetig fiel der Regen, die Ernte verfaulte, und Fieber griff nach den Menschen.
Wendel stülpte die weite Kapuze ihres Mantels über das Kopftuch und schulterte die Axt. Den zusammengekauerten Gestalten vor dem Weinhaus wich sie aus, rauschselige Reste des vergangenen Abends, die im Trubel des Jahrmarktes ertrunken waren. In großer Hast ließ Wendel den Festplatz hinter sich, watete durch Pfützen und Schlamm dem Rheintor entgegen.
Keiner der Posten wunderte sich über die Axt und fragte nach ihrem Wohin. Kaum bewältigten die Wachen den morgendlichen Ansturm der fremden Kaufleute und Händler, jeder drängte in die Stadt, wollte der Erste auf dem großen Jahrmarkt sein. Ohne Halt verließ Wendel Büderich und nahm die Abkürzung durch die Felder. Greet wartete sicher ungeduldig.
Im Morgengrauen, gleich nach der Frühglocke, hatte Wendel ihre Töchter zu der Großmutter ins Kloster gebracht, »vielleicht zwei Wochen, vielleicht länger, ich weiß es nicht.«
»Wo willst du hin, bei deinem Zustand? Und wenn das Kind unterwegs kommt? Wer versorgt es dann?« Stumm hatte Wendel die bekümmerte Frau zur Seite geschoben. Für Erklärungen war keine Zeit mehr, der Abschied überstürzt, und laut
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