Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
hatten die Mädchen ihr nachgeweint.
    Vor dem Bauernhaus stand der Karren, das Gepäck war verstaut, noch hing die Plane lose an den hochgebauten Seitenwänden herunter. Schwer atmend setzte Wendel die Axt ab und rief nach der Freundin, in der Stube fragte sie die alte Bäuerin. »Ihr seid beide verrückt!«, zankte sie und tunkte die Brotkanten in die heiße Milch, gab Wendel keine Antwort.
    Hinter dem Haus war Greet damit beschäftigt, ihren Ochsen von den Fesseln zu befreien. »Wir können sofort losfahren, Kindchen.« Sie hatte dem Zugtier Eisen unter die breiten Außenzehen der Hufe geschlagen und seitlich vernagelt. »Weil’s weit ist. Und wir’s eilig haben.« Am Strick führte sie den kraftvollen Ochsen vor den Karren und schirrte ihn ein. »Die Hornschicht der Hufe ist nur dünn, sie wetzt sich schnell ab.«
    Während Wendel sorgfältig die Plane festzurrte, rief sie: »Wenn ich ein Pferd hätte, würde ich reiten.«
    »Und würdest dein Kind auf dem Sattel kriegen!« Greet lachte nicht. »Du kannst neben mir sitzen, wenn du Schmerzen kriegst, legst du dich sofort in den Karren.«
    Wendel warf die Axt unter die schmale Kutschbank zu den beiden Dolchen. »Es kommt noch nicht.«
    Solange sie hantierten, war es beiden Frauen gelungen, die Unruhe zu unterdrücken, jetzt waren alle Vorbereitungen erledigt. Dicht standen sie voreinander, hielten sich mit den Augen fest. »Ich weiß nicht, was uns in Köln erwartet. Wir haben schon den 22. September.« Wendels Lippen zitterten. »Ich bete nur, dass sie Erbarmen mit Adolph haben.«
    »Für die Strolche unterwegs genügen die Messer und deine Axt. Ich bin stärker als ein Kerl«, versuchte Greet zu scherzen, »aber gegen Köln kommen wir nicht an.«
    Sie half Wendel auf die Kutschbank, legte ihr eine Decke über die Knie. »Wickel dich ein, Kindchen. Bei diesem verdammten Wetter frierst du schnell. Ich sag nur der Alten noch Bescheid.« Damit lief sie über den Hof zum Haus.
    Vor zwei Tagen war ein Ruderknecht in der Wagnerei erschienen. »Er wartet auf dich.« Mehr hatte der Bursche nicht gewusst. Greet wollte der Freundin den mühsamen Gang abnehmen. »Denk an den Jungen. Die Straße ist nur noch Schlamm.«
    Doch Wendel wehrte ab. »Dir wird er nichts sagen. Ich kenne diesen mürrischen Kerl.«
    Immer noch befragte der Fährmann seine Fahrgäste, sobald er etwas von dem Prozess um Adolph gehört hatte, ließ er Wendel kommen.
    »Anfang September ist in Köln die Seuche ausgebrochen. Weiß ich von einem Taschenmacher.«
    Reinhold nahm sich Zeit, und Wendel drängte ihn nicht. »Wie die Fliegen sind die Leute am Englischen Schweiß verreckt, normal bleibt so eine Pest einen Monat oder länger. Aber diesmal war sie schon nach einer Woche wieder weg.«
    Flehend blickte Wendel den Fährmann an.
    »Ist gut, Mädchen. In Köln verfluchen und verdammen die Pfaffen bei jeder Messe die gefangenen Ketzer, geben deinem Schulmeister und noch so einem die Schuld an dem Fieber. Die kurze Pest ist nur die erste Warnung. Gott straft die Stadt, weil diese Lästerer noch nicht am Galgen hängen, so hetzen sie in den Kirchen.« Reinhold rieb sich das Kinn.
    »Besser, ich sag’s dir, Mädchen! Die Leute glauben so was schnell, wenn sie Angst haben.«
    Keine Entscheidung, keine Fragen. »Ich muss ihm helfen«, alles in Wendel war Entschluss.
    »Mit dem Jungen im Bauch? Nein, du gehst nicht allein.« Ein wertvoller Tag war mit Vorbereitungen verstrichen. »Greet, ich leg mich einfach hin, wenn es soweit ist«, hatte sie gedrängt.
    Die Freundin blieb unerbittlich.
    »Auch wenn ich dir das Kind auf der Straße holen muss, wir nehmen alles mit, was wir für eine schöne Geburt brauchen.«
    Wendel blickte auf. Beladen mit noch mehr Decken und einem Korb kehrte Greet zurück. Ihre Mutter war in der Tür stehen geblieben.
    »Den ganzen Morgen hat die Alte nur geschrien. Mit einem Mal wird sie weich«, Greet lächelte gerührt und verstaute die Sachen unter der Plane. »Den Korb hat sie mit Essen vollgepackt und für dich noch was Warmes gegeben.«
    Auf der Kutschbank fasste sie die Zügel, schnalzte, und der Ochse trottete los, zum Abschied winkten beide, doch die alte Bäuerin hob nicht die Hand. »Was heult sie denn?«, schimpfte die Tochter. »Ich hab ihr gesagt, dass wir bald zurückkommen.«
    *

K appen, Wollhauben, Baretts, Leute ohne Kopfbedeckung, dunkle Tücher, Mützen und Federhüte, nur ein gemeinsames Ziel, wie im Sog verschwanden die Bürger in der Sandkaulgasse.
    »Da ist

Weitere Kostenlose Bücher