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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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schien die Sonne, Blumen, schon im März. Mein Johann lebt da mit fremden Brüdern, von überall kommen sie dorthin. Sie sprechen viel über den Glauben, reden, als käme der Herr jeden Moment. Sie sind nicht so wie Adolph. Zornig predigen sie, und Johann ist der Wildeste. Der Drost hält viel von ihm. Die Leute kommen gelaufen, wenn mein Johann auf der Kanzel steht.«
    Wendel lächelte in die große schmerzhafte Welle hinein. »Ich hab ihm damals noch nichts von dem Kind gesagt«, flüsterte sie rasch.
    Lange schrie sie, bis das Glühen nachließ, der Atem ruhiger wurde. Warum sagt sie es mir nicht? Greet schweigt einfach. »Ist es ein Junge?«
    »Ein Weib, Kindchen. So ein schönes Weib«, stammelte Greet und hielt das Neugeborene in ihren Händen. »Es ist still, Kindchen.«
    »Auf dem Feld, wie du’s gesagt hast.« Müde streckte Wendel die Arme dem Kind entgegen. »Nun, gib es mir.«
    »Es lebt nicht, Kindchen.«
    »Leg es auf meine Brust.« Wendel lächelte ihre Tochter an. »Wie klug du bist, mein Herz.« Still blickte sie zu Greet auf, teilte stumm das Elend mit ihr. Später sagte sie: »Adolph hat uns eine gute Nacht gewünscht, sicher war der Gruß auch für das Kind.« Damit sank Wendel in sich zurück.
    Heftig stach Greet das Messer in die Erde, schlug das hohe Gras zur Seite, grub tief, die Tiere sollten das Mädchen nicht finden, stampfte die Erde fest und versteckte das kleine Grab unter Brennnesseln. Den Stock pflanzte sie zum Zeichen.
    Die große Frau weinte. Ohne abzusetzen, auf den Armen trug sie die schlafende Freundin bis zum Karren und schirrte den Ochsen ein. Erst nach einer Stunde fuhren sie los. Das warme Wasser, um Wendel zu waschen, hatte der Bauer sich bezahlen lassen.

D er Irrweg öffnet mir den Blick: Aus dem Himmel stürzt das Neue Jerusalem, fällt auf die Stadt, so wie es der Prophet offenbart hat. Mit dem goldenen Stab vermessen die Auserwählten Mauern und Tore. In ihren Augen spiegeln sich Jaspis, Perlen und Topas. Die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes. Jetzt, im Jahre 1534, beginnt das Reich der Tausend Jahre.

G enau in der Mitte, Greet.« Wendel beugte sich über den Backtrog und drückte die Fingerspitzen in den Teigrest am Boden. »Hier liegt Büderich, da Wassenberg und da Münster. Der Weg ist gleich weit.«
    »Kannst es gar nicht abwarten, Kindchen?« Vergnügt zwinkerte Greet, schabte mit dem länglichen Holzspachtel Münster, Wassenberg, samt Umland, auch die weit entfernten Teigstraßen in die Mitte und häufte sie auf Büderich. »Dein Bett steht hier.«
    Wendel führte die runde Schneide ihres Spachtels über die Spitze, steckte ihn tief in den weichen Berg, seufzte erst, dann ließ sie den Schaft los. »Das wäre mein Glück. Johann kommt für immer zurück, und ich muss nicht nach Münster.«
    Wendel rieb ihre nackten Arme. Fünf Monate ist es jetzt schon her! Ganz gleich, was mich in dieser Stadt erwartet, ich will ihn sehen. Ertappt blickte sie in die spöttischen Augen der Freundin, ließ die Hände sinken. Diese Wärme bringt mich ganz durcheinander! »Meine großen Träume erfüllen sich nie, den kleinen muss ich nachrennen.«
    Und Greet lachte, bis Wendel angesteckt war, die Wangen glühten.
    Während draußen der Wind das Tauwetter durch den letzten Februartag fegte, nahm in der Stube des Bauernhauses mehr und mehr die wohltuende trockene Hitze zu. Wendel und Greet trugen nur lose Kittel, das mühselige Kneten und Schlagen war lange getan, jetzt beschwingte der Geruch nach Reisigfeuer und gesäuertem Teig, versetzt mit einem leichten Duft von Kümmel, das Gespräch und Lachen der beiden Frauen.
    »Nicht so laut! Könnt ihr nicht das Maul halten!«, fauchte die alte Bäuerin, trat zum Tisch, hob kurz das Tuch und prüfte die rundgeformten Laibe. »Dass sie mir bei eurem Geschnatter noch einfallen«, und kehrte zu ihrem Platz am Feuer zurück. Stumm packte Greet den Teigrest auf die freie Fläche vor dem Leinentuch, noch einmal kneteten sie ihn gründlich mit den Handballen.
    Heute führte Greets Mutter das Regiment, befehligte das Brotbacken, und gerne fügten sich die beiden Frauen, auch wenn die Bäuerin streng darauf achtete, dass die alten Bräuche eingehalten wurden. Noch nie war unter ihrer Aufsicht der Teig versauert, das Brot schwarzgebrannt aus dem Ofen gekommen.
    Schon in der Nacht war die Alte aufgestanden, hatte die schlafende Glut aus der Mitte der Feuerstelle seitlich unter den vorgewölbten Bauch des Backofens geschoben, erst dann die

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