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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Spannung und Freude auf den Vorbeimarsch der Verurteilten, von den Schaulustigen erhofften sich die aus Köln Verbannten reiche Spenden. »Not frisst Not!« Greet trat einen Stein, dass er zwischen die Aussätzigen flog.
    Am Rabenstein hinter Melaten lagerten schon Gaffer um den Richthügel, früh hatten sie sich einen Platz gesichert. Auf dem letzten Stück Weg schirmte Wendel mit der Hand ihr Gesicht vor dem Anblick der Gehängten und Toten auf den Rädern, vor den verstümmelten, verwesten Resten der Gerechtigkeit.
    »Das bleibt Adolph erspart.« Greet streichelte ihren Rücken, während Wendel beide Hände um den Stock klammerte und sich übergab. Verzweiflung und Elend konnte sie nicht ausspucken.
    Auf dem flachen Hügel war die Hütte errichtet. Über den Brettern, strohgedeckt, zwischen den Seitenbalken viel Stroh, die Stirnseite offen, innen wuchs der Pfahl aus dem strohgespickten Reisighaufen.
    »Da endet der Weg.« Bleich und müde starrte Greet in die Feuerhütte.
    Wendel schloss die Augen. »Damals hat er mir gesagt, dass Johann und er unter Seinem Dach Schutz finden. Dieses Strohdach schützt nur gegen die Feuchtigkeit, damit der Holzstoß besser brennt und die Glut stärker wird. Ich bete für Adolph um das große Dach, nach dem er sich sehnt.«
    Als Wendel die Augen öffnete, war alles bereit. Vor der Hütte standen die Gefesselten, der Greve hoch zu Ross, breit aufgebaut der Henker, Mönche wollten geschäftigen Trost spenden, Seelenpfennige sammeln, Adolph verbot es lachend, ein Augustiner spuckte immer wieder vor ihm aus, so frei priesen die Todgeweihten Ihren einzigen Herrn, dass die vielen Gesichter der Bürger sich tränennass ihnen zu wandten.
    «Adolph kann uns nicht mehr sehen«, flüsterte Greet, »seine Augen leben schon nicht mehr hier.« Eng standen die Frauen beieinander, Wendel stützte sich an dem Stock. Noch einmal erhoben die Gefangenen ihre Stimmen. Dem Greven dauerte das Predigen zu lange, gefährlich, zu ruhig stand die Menge da und lauschte, nur die Mönche verurteilten, was die Männer sprachen. Er gab seinem Scharfrichter den Wink. »Fang an!«
    Offen blickte Peter zu dem Greven auf. »Ja, fang nur an, das Blut der Christen zu vergießen, aber achte genau darauf, was du tust, damit du es vor Gott verantworten kannst.«
    Wild befahl der Greve ihm, das Maul zu halten, doch Peter schrie: »Pilatus wusste nicht, was er tat, doch du weißt es genau, weißt auch, warum du es tust. Geh nur nach Hause und sag dir, dass du nicht schuld an unserm Blut hast. Nichts kann dich retten! Es steht geschrieben: Die Richter müssen gerecht urteilen!«
    »Fang an!«
    Der Henker griff den Studenten, entkleidete ihn, sorgsam legte er die Sachen zur Seite, nach der Arbeit gehörten sie ihm.
    Adolph und Peter beichteten voreinander, vergaben dem Bruder mit dem Kuss.
    Wendel legte eine Hand auf ihren Leib. »Selbst mein Junge ist still geworden, Greet. Ich halt ihm die Augen zu, sonst erschrickt er vor dem Leben.« Taub und blind will ich sein, dachte sie, und schob die Wirklichkeit von sich weg. Nur vor den riesenhaften Bildern konnte sie sich nicht verbergen.
    Der Scharfrichter zerrte Peter in die Hütte und schlang die Kette hart um Hals und Pfahl, würgte den jungen Mann, dass er schwieg, nur noch zappelte.
    Adolph entkleidete sich selbst, übergab dem Henker ruhig Bibel und Rock. Vor der Hütte flohen seine Augen zum Himmel. »O Herr, hiernach hat mich so lang gesehnt.« Nicht so grob zurrte der Henker die Kette, legte Adolph einen Pulversack um den Hals.
    »Steck das Feuer an!«
    Die Flammen züngelten. »In Deine Hände befehle ich meinen Geist.« Das Pulver erstickte das Leben.
    Wendel wachte nicht auf, längst waren sie an Köln vorbeigewandert, die Straße nach Worringen war nicht so beschwerlich wie die aufgeweichten Feldwege. Manchmal sang Wendel leise, ihre Gedanken flatterten, wenn sie sich krümmte, den Atem stieß, hielt Greet ihren Kopf. »Kindchen. Sag es mir! Sag’s nur rechtzeitig.«
    Wieder einige Schritte, dann schrie Wendel, der Schmerz riss sie in die Wirklichkeit zurück. »Hilf dem Sohn!«
    Greet ließ die Freundin auf den Boden sinken. Neben der Straße fand sie Gras und Brennnessel, sie riss den Mantel herunter, breitete ihn aus und legte die Stöhnende behutsam auf das Lager. Der erste Sturm zog vorbei. Mit weiten Augen lag Wendel da.
    »Wird ein schöner Junge, Kleines. Ich geb schon Acht.« Greet hielt die heiße Hand.
    »Als ich im Frühjahr bei Johann auf der Burg war,

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