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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen
Autoren: Tilman Röhrig
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wieder in den Schutz der dreifachen Wehranlagen zurückzogen. Niemand wagte, sie bis zu den Gräben zu verfolgen, die Schussweite der Kanonen auf den Schanzen bestimmte die Entfernung des Belagerungsringes, spannte um Münster einen breiten Glorienschein des Todes.
    Heimlich in dieses Niemandsland eindringen, uns im Schutz des Gestrüpps bis zur Zugbrücke vorschleichen, dann werden wir irgendwie hineingelangen! Abseits des westlichen Aufmarsches hatte Wendel gestern Nachmittag diesen versteckten Pfad entdeckt, nach wenigen Metern schien er im Unterholz zu enden, doch seine Richtung zeigte zur Stadt. In der Dämmerung war ein Versuch zu gefährlich, zu schnell kam die Nacht. Wenn eins der Mädchen verloren geht, sich verirrt, wenn es doch kein Durchkommen gibt? Spät am Abend hatte Wendel das Söldnerlager verlassen und ganz in der Nähe mit Hilfe einer Decke aus dem Handwagen ein Zelt gebaut, die Töchter schliefen auf der Ladefläche, sie selbst hatte sich vor einem Rad hingekauert und gewacht.
    Seit dem ersten Tageslicht waren die Kinder bereit. Wendel wanderte am Rand der Fahrstraße hin und her und beobachtete das geschäftige Treiben, wartete auf einen günstigen Moment.
    Der Knall riss ihren Kopf herum. Söldner schreckten zusammen, stierten zur Ziegelei hinüber. Schon schlugen Feuerlohen aus den Dächern. In kurzen Abständen folgten die Explosionen. Alle Gebäude standen in Flammen. »Wiedertäufer!«, schrie der Alarm. Trommelwirbel. Mit Spießen und gezückten Schwertern waren die Landsknechte über das Feld gestürzt, hatten sich den Verhassten zum Kampf gestellt.
    »Kommt! Der Vater wartet!« Im Schutz dieser Verwirrung waren sie losgerannt.
    Dort vorn endete der Pfad. Durch die nackten Zweige erkannte Wendel den Fahrweg, sah die nahe Zugbrücke, ihr Blick fand zwischen dem Dach der Äste hochragende Stücke der Wehrmauer. Du bist unsere Zuflucht! Wir werden auf die Straße hinauslaufen, winken, sie müssen uns das Tor öffnen.
    Der Wagen blieb stecken. Wild riss sie an der Handdeichsel. »Helft doch!«, die gemeinsame Kraft reichte nicht aus. Ein großer Ast verklemmte Rad und Achse. Hastig beugte sich Wendel hinunter, versuchte ihn abzubrechen.
    »Mutter!« Der gellende Schrei erstickte.
    Wendel sah auf. Drei Männer hielten den zappelnden Mädchen die Münder zu. Über den Pfad schlichen Bewaffnete, aus den Büschen brachen sie heraus, eilten näher, Schweigen, nur das Knacken der Äste, leises Klirren der Schwerter. Mich könnt ihr töten! »Lasst meine Kinder!«, flehte Wendel. Ihre Haare wurden gepackt, die Messerspitze drang in ihren geöffneten Mund, verletzte sie nicht. »Halt dein Maul. Schrei nicht.« Der Mann ließ die lange Klinge sinken. »Wer bist du?«
    Schweiß rann ihm über das Gesicht, der schwarz behaarte Fleck auf seiner rechten Wange drohte wie ein Auge. Keine bunte Kleidung, kein glänzender Harnisch, es sind keine Söldner des Bischofs. Die Hoffnung überfiel Wendel, hilflos hob sie die Hände.
    »Antworte, sonst schneide ich dir die Kehle durch. Meine Männer warten nicht.« Mehr und mehr Bewaffnete drängten näher, wollten weiter.
    »Ich muss in die Stadt.« Sie schluckte, suchte nach einer Beglaubigung. Was hatte Johann geschrieben? »Ins Neue Jerusalem, ehe Gott die Welt straft.«
    »Eine neue Schwester«, halblaut gab der Hauptmann die Losung weiter, Lächeln antwortete. Beschützend nahmen seine Männer jetzt die Mädchen wie Töchter auf den Arm, vier schoben den Karren, Wendel folgte dem Anführer. Voller Dankbarkeit blickte sie zum Himmel. Emmanuel!
    Noch im Schutz der Böschung blieb der Anführer stehen, hob die Hand. »Den Gefangenen her zu mir.«
    Durch die lange Kette der Bewaffneten wurde ein Bursche nach vorn gestoßen, der Mund war geknebelt, seine Trommel trug er am Schulterriemen, die Stöcke hatte man ihm abgenommen.
    »Macht Platz.«
    Rasch wurde Wendel zur Seite geschoben, sie lächelte Lisabeth zu, Irmel und Lenel hielten den Hals der Männer fest umschlungen.
    »Auf die Knie.«
    Wie jung er ist, dachte Wendel, sie werden ihn zurückschicken. Mit dem Handrücken rieb der Hauptmann sein schwarzes Mal auf der Wange, dann zückte er ruhig das Messer, schlug dem Trommler die Klinge in den Nacken und schnitt ihm den Kopf ab.
    Schreien, Weinen, Rennen, das Entsetzen lähmt, Wendel biss sich in die Hand. Vom Grauen aufgerissen suchten ihre Augen in den Gesichtern der Männer, fanden nur Zufriedenheit, selbstverständliche Zustimmung.
    Zwei nahmen dem
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