Überman
Dielenboden, so blank wie ein frischgeschrubbtes Schiffsdeck. Sooooooo blank, dass ich höchstpersönlich mit der Zunge das komplette Deck langschlecken könnte, ohne mir auch nur den winzigsten Spreißel zu fangen. Ja, Leute, DAS ist ein verdammt noch mal blankes Schiffsdeck, oder? Oh, oh … schwere See … Schwerste See. Ja, leck mich am Arsch, wie schwer die See plötzlich ist! Alles wankt und schaukelt, rüttelt und schüttelt …
»Hallo? Herr Konrad?«
Ich zucke zusammen und versuche meinen Kopf aus dem Kissen zu drehen, doch irgendeine magische Kraft drückt ihn weiter hinein. Träum ich noch, oder ist da wer? Oder ist’s einer von diesen Träumen, bei denen man denkt, dass man aufwacht, aber genau das träumt, nämlich dass man aufwacht, aber eigentlich schläft man noch und kann die Traumwesen um einen herum nach Belieben beeinflussen.
»Herr Konrad? Ist Ihnen schlecht geworden?«
»Hinfort!«, befehle ich, um zu sehen, wie die Wesen reagieren.
»Was hat er gesagt?«, sagt eine Frau.
»Er hat ›Hinfort!‹ gesagt«, antwortet ein Mann.
Mühsam öffne ich eines meiner bleischweren Seemannslider und sehe einen ebenso riesenhaften wie milchgesichtigen Mann in einer lächerlichen Uniform vor mir. Er hat Augenbrauen so groß wie Handfeger. Daneben steht eine sehr kleine Asiatin, ebenfalls in Uniform, mit Augen so klein wie Augen von kleinen Asiatinnen. Beide starren mich an. Und ich sie. Das, denke ich mir, ist ja wohl nix.
»Bringt mir andere Fabelwesen …«, befehle ich, »die Asiatin kann bleiben, aber der Handfeger ist zu hässlich!«
»Herr Konrad, wenn Sie nicht aufstehen, müssen Sie das Zimmer buchen.«
Der Handfeger spricht wie ein
Tagesschau
-Sprecher. Fehlt nur der Gong. Ich sage: »Gonnng …«
»Okay. Wir rufen den Sicherheitsdienst. Ich glaub auch, der hat was genommen!«, höre ich den Mann in den Nachrichten sagen und öffne vorsichtig das andere Auge.
»Warten Sie«, piepst die Asiatin, »er wacht auf!«
So langsam dämmert mir, dass der Handfeger-Riese nicht der Kapitän auf meinem Schiff ist, sondern eventuell auch ein ganz besonders kräftiger Mitarbeiter des Pullman-Hotels. Mein Traum zerbricht wie eine achtlos fallengelassene Eiswaffel.
»Also, was ist jetzt?«, fragt er mich und verschränkt die Arme.
»Es …«, beginne ich, setze mich auf die Bettkante und sammle hektisch ein paar der Gedankenscherben auf. Ich lächle und dann zeige ich Phils Tablettenpackung. Noch immer wirbeln mir die Worte im Kopf umher wie Pinienkerne in einem billigen Mixer.
»Es ist mir wirklich sehr peinlich, aber ich bin Narko…leptiker. Und ich vertrage das neue …«
Das Zimmermädchen und der Handfeger betrachten die Pillenpackung.
»… vertrag das neue …«
Sie geben sie mir kleinlaut zurück. »Sie vertragen das neue Medikament nicht?«
»Ja. Es tut mir leid.«
»Sollen wir einen Arzt rufen?«
»Nein … geht gleich wieder, danke«, sage ich, stehe auf und knalle zwei Meter weiter mit voller Wucht gegen den Spiegel, der sich als Tür verkleidet hat. Weicher Teppich. Sehe alles von der Seite, wie wenn man bei Markus Lanz vor dem Fernseher einpennt.
»Ihr müsst mal eure verdammte Zimmer rumdrehen, bei den Preisen!«
»Sind Sie sicher, dass wir keinen Arzt rufen sollen?«, fragt das Zimmermädchen und beugt sich zusammen mit dem Handfeger hinunter zu mir.
»Dr. Parisi!«, brumme ich.
»Wir sollen Dr. Parisi anrufen? Ist das Ihr Hausarzt?«
Ich rudere mit den Armen und mach eine Schildkröte nach mit dem Kopf, damit man mich auch ernst nimmt: »Nein! Auf keinen Fall anrufen! Weil – er hat doch die Zeit!«
Ich öffne meinen Mund, um Luft zu kriegen, und reiße die Augen auf. Dann versuche ich mich so weit zu strecken, dass ich bis an die Decke komme, doch die Decke ist in Wirklichkeit die Wand und die Wand der Boden. Schließlich helfen mir die beiden auf, und als ich eine halbe Minute lang ohne fremde Hilfe stehen kann, da darf ich gehen.
»Sind Sie sicher, dass wir Herrn Parisi nicht anrufen sollen?«, ruft mir der hässliche Handfeger noch hinterher. Ich drehe mich um, schließe ein Auge und fixiere seinen Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann zerquetsche ich ihn. Hat zu oft gefragt.
Nicht ohne alle paar Meter gegen die Wand zu dötzen, eimere ich in die Hoteltiefgarage. Laufe gegen Dinge plötzlich, gar nicht gut. Krache endlich in den Sitz. Starte den Motor. Viel krieg ich nicht mehr mit. Was ist hier denn los? Man weiß es nicht. Dieses Modafinal
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