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Überman

Überman

Titel: Überman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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den Helm aus der Hand und lege ihn auf den Bistrotresen. »Manni?«
    »Ja?«
    »Kartfahren kommt nicht dran.«

Jeden Tag ein bisschen besser
    Das Pullmann ist ideal für meine Zwecke: heller Steinboden, flauschige Sitzmöbel und gedämpfte warme Farben sind genau das, was ich brauche, damit’s in meinem Fake-Bunker schön kuschelig aussieht. Dass ich filme, stört niemanden, im Gegenteil: An der Hotelbar lächelt eine der Barkeeperinnen sogar werbewirksam in mein Handy – unbezahlbar! Ich bestelle ein Mineralwasser, spüle eine weitere von Phils Wach-Pillen damit herunter und überlege, wie ich möglichst umsonst in eines der Zimmer komme. Es ist leichter als gedacht, und womöglich hätte ich gar nicht unbedingt einen Onkel aus Monte Carlo erfinden müssen, denn »natürlich dürfen Sie sich ein Zimmer ansehen, Herr Konrad!«
    In einem Glaslift mit Blick auf den fahl leuchtenden Dom geht es nach oben. Gut, dass sie nur den Dom anstrahlen, denke ich mir, der Rest ist nun wirklich zu hässlich für extra Beleuchtung. Die Fahrt kommt mir lange vor, zu lange, und für einen Augenblick stelle ich mir vor, wie der Lift immer weiterfährt und nach dem neunten Stock einfach aus seiner Schiene fällt und nach unten auf die Straße kracht. Als ich mir im achten Stock nicht mehr nur vorstelle, dass der Lift rausfällt, sondern sicher bin, dass er es tut, steige ich aus und gehe die übrigen Stockwerke zu Fuß. Um mich abzulenken, rufe ich Manni an und frage ihn, wie weit er ist mit dem Schneiden meines Bunker-Materials.
    »Bin am Basteln. Schickst du gleich wieder was Neues?«
    »Ich film jetzt ’n Zimmer, lad ich dir hoch.«
    »Alles klar, schick rüber, sobald du was hast! Sonst alles klar?«
    »Klar ist alles klar, warum?«
    »Du klingst so gedämpft irgendwie.«
    »Teppich, Manni, hier ist überall Teppich!«
    Als ich Zimmer 1221 betrete und die weiße Schlüsselkarte in den Stromschlitz schiebe, wird mir ein wenig schummrig. Ob’s an der schieren Höhe des Zimmers liegt oder an der Tatsache, dass der Dom plötzlich ein Gerüst hat, wo eben noch keines war, liegt zu vermuten fern meiner derzeitigen Möglichkeiten. Vorsichtig taste ich mich an der Zimmerwand entlang, und während ich mein Handy aus der Hosentasche ziehe, halte ich mich an einer Vitrine mit einer boshaften weißen Blume fest, deren vermutlich giftiger weißer Blütenkopf nur danach zu trachten scheint, sich einen Teil von mir zu schnappen.
    Ist das jetzt der Brainboost? Wenn er es ist, dann ist er nicht sehr angenehm. Ob ich mich kurz hinlegen soll? Nein! »Erst die Aufnahmen, dann kurz hinlegen …«, nuschle ich der Blüte zu, die inzwischen Form und Größe eines Grammophonlautsprechers angenommen hat, dann wage ich mich einen Schritt von der Wand weg und starre auf den Dom. Das Gerüst ist wieder weg. Ich lache und ziehe die Vorhänge zu. Was für ein dummer Fehler das wäre, wenn man im Bunker-Clip den Dom von oben sähe mit seinen … drei Gerüsten? Als die Vorhänge zu sind, geht es mir kurz besser, vermutlich war es doch die Höhe. Ich schalte die Lichter ein und filme das komplette Zimmer ab inklusive Bad, Nespresso-Maschine und Minibar, dann schicke ich die Clips zu Manni. Hab allerdings die Saugkraft des Bettes unterschätzt. Fühl mich wie drei Meter unter Wasser plötzlich. Underwater Brainboost! Ich tauche zum Flauschbett, lösche das Licht und hoffe, dass sie an der Rezeption gerade von einer Busladung Messe-Asiaten überrannt werden. Muss schlafen nur ganz kurz. Mach meine Gedanken klein, damit sie mit ins Bett schlüpfen können. Es klingelt was. In Zeitlupe greife ich nach dem Hörer.
    »Ja, bitte?«
    »Gefällt Ihnen das Zimmer, Herr Konrad?«
    Ob mir das Zimmer gefällt, fragen sie. Aber eigentlich fragen sie was anderes, sie formulieren es nur so, dass es sich ziemt. Schwer stolpern die Silben aus mir heraus. »Ich … hab mir noch den Wellnessbereich angeschaut und bin eben erst …«
    »Natürlich. Schauen Sie sich ruhig alles in Ruhe an.«
    »Ich … danke Ihnen!«
    Mit letzter Kraft hieve ich den zehn Tonnen schweren Telefonhörer zurück auf die Basisstation, und dann versinkt mein Kopf im Kissen wie ein Pflasterstein in einem warmen Vanille-Pudding. Muss an Eddie the Eagle denken, den schlechtesten Skispringer aller Zeiten, und will mich so hinlegen, wie er geflogen ist, aus Respekt vor seiner Leistung. Drehen klappt. Ziiiiiieeeh, Simon, zieehhhhh. Auf dem blanken Boden lande ich vom Schlafzimmer. Blitzblanker

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