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Überman

Überman

Titel: Überman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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und will den Specht zur Seite schieben, doch der Vogel ist riesig. »Specht?«, frage ich, »wofür hast du denn so große Krallen?«
    »Damit ich dich an deinem stinkenden Schwanz bis zur Inneren Kanalstraße ziehen kann!«, grunzt eine tiefe Männerstimme.
    Ich schnelle hoch und blicke direkt in das aufgedunsene Gesicht eines tätowierten Pitbulls in Menschengestalt.
    »Ist die wieder einspurig?«
    »Ja! Morgen, der Herr!«, grunzt der Pitbull.
    »Mo…Morgen!«, stottere ich, rutsche sicherheitshalber ein Stück zur Wand und überlege, ob wir eine solche Situation eventuell bei Krav Maga hatten. Leider fällt mir nur ein, die Nase zur Seite zu drehen, wenn ich am Pissoir stehe.
    »Die Sache ist eigentlich ganz einfach …«, sagt der Pitbull.
    »Da bin ich aber erleichtert!«, antworte ich und weiche dennoch ein Stück zurück, »also, wenn sie so einfach ist, die Sache.«
    »Verarsch mich nicht!«
    »Natürlich nicht. Entschuldigung!«
    Ich muss mich kurz sortieren. Mitten im Zimmer steht eine Indianerfrau mit Handtasche und Mantel, bereit zum Aufbruch. Vor mir sitzt ein Pitbull mit schlechter Laune und mächtigen Tattoos. Das Motiv besteht aus einem Totenkopf, einem Kreuz und einer Art Säbel.
    »Hallo? Bist du bei uns, Kollege? Eintausendzweihundertundzehn Euro kriegen wir von dir!«
    Ich schaue vorsichtig auf. »Warum denn eintausendzweihundertundzehn? Ich … hab doch nur kurz hier gelegen!«
    »Kurz? Seit ein Uhr blockierst du das Zimmer. Und deine beiden Kumpels haben auch ordentlich Gas gegeben.«
    Erschrocken blicke ich auf meine Uhr und erstarre augenblicklich: Es ist verdammt noch mal kurz nach sieben Uhr morgens! Ich habe volle fünf Stunden überschlafen! Ich bin mitten im neunten Wachblock!
    »Also, Freundchen: Eintausendzweihundertundzehn Euro, dann ist die Sache erledigt. Kannst sogar wiederkommen am nächsten Sonntag!«
    »Was ist denn nächsten Sonntag?«
    »Unsere Pauschal-Adventsaktion: Blasen, bis das Licht ausgeht.«
    »Nette Idee«, lache ich steif und setze mich auf die Bettkante. »Und was passiert, wenn ich nicht zahlen kann?«
    Der Pitbull grinst schäbig.
    »Geht das Licht sofort aus.«
    »Verstehe.«
    Vorsichtig zittere ich mein Portemonnaie aus der Hose, doch so lange ich die beiden Scheine auch hin und her bewege – es wird nicht reichen. Hätte meinen Toyota-Umschlag einstecken sollen.
    »Und … wenn ich mein Auto hierlasse, bis ich das Geld habe?«
    »Kommt auf’s Auto an.«
    Gut, dass sich die Zeiten geändert haben! Früher, da bin ich mir sicher, hat man sofort auf die Fresse bekommen, wenn man in einem Puff nicht zahlen konnte. Heute bekommt man erst dann auf die Fresse, wenn es das angebotene Pfand nicht gibt.
    »Ich hab ihn vorhin hier hingestellt, ohne Scheiß!«, höre ich mich noch sagen, bevor ich in hohem Bogen auf den harten Asphalt fliege. Gibt es denn auch irgendeine israelische Technik, mit der man trotz zerbrochenem Rücken aufstehen kann? Da mir keine einfällt, ziehe ich mich an einem neben meiner blutigen Hand geparkten SLK mit Coesfelder Kennzeichen hoch. Dann habe ich die Wahl zwischen meinem iPhone und meiner Schweizer Automatikuhr. Ich entscheide mich für die Uhr.
    »Kannste abholen, wenn du das Geld bringst«, grinst der Pitbull und verstellt das Band auf seine Handgelenkgröße.
    »Mach ich …«, antworte ich gequält, »Und danke noch mal für alles, netter Abend.«
     
    Als ich die Innere Kanalstraße Richtung Sülz laufe, bekomme ich meinen ersten von insgesamt drei Wutanfällen.
    Phil, diese hinterhältige Ratte! Nur deswegen hatte er die Heulboje mit! Von Anfang an wollte er nur sein Auto zurück und auf meine Kosten poppen. Und jetzt? Wie zum Teufel soll ich ohne Auto den Weinkeller fertig ausstatten? Mit der Straßenbahn oder was?
    Als ich eine halbe Stunde später die Wohnungstür aufschließe, sehe ich, dass eine Nachricht von Annabelle auf meinem Handy glimmt. Ein Lichtblick! Aufgeregt zünde ich mir eine Zigarette an und falle auf die Couch, springe aber fluchend wieder hoch, als wäre ich auf einem Trampolin gelandet. Es folgt mein zweiter Wutanfall. Erst nachdem ich mir den letzten Reißnagel aus meiner Wange gezogen habe, lese ich Annabelles Nachricht:
    Beschwingt und entschlossen zugleich?
    Ich stutze. Was ist das denn jetzt für ein saublödes Rätsel? Der angehängte Link führt mich direkt zu Phils Facebook-Seite. Das letzte Update ist ein Foto von mir neben einer kleinen Schwarzhaarigen ohne BH und mit Sahnesprühdose.
    Liebe?

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