Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
Erleichterung, dass sie ganz normal reagierte, mehr noch: dass sie ein sehr unbekümmertes Kind zu sein schien.
KAPITEL 45
E in wenig nervös war ich schon. Vor allen Dingen stellte ich mir immer wieder die Frage: »Wie sieht sie wohl aus, werde ich sie überhaupt wiedererkennen?«
Es war ein sehr warmer Tag, an dem Vanessa und Lilli uns besuchen kamen. Lilli dann schließlich zu sehen, war schlichtweg befremdlich für mich. Ich konnte mir einfach nicht mehr vorstellen, dass sie das Kind war, das ich ein halbes Jahr lang gestillt und für mein eigenes gehalten hatte. Sie war nun fast zwei Jahre alt, wir hatten uns tatsächlich ein Jahr nicht mehr gesehen. Mittlerweile hatte sie helles, halblanges Haar, und ihr Babygesicht war gänzlich verwandelt. Von dem kleinen Buddha von einst war nichts mehr zu erkennen, und sie glich nun sehr ihrer Oma, wie ich fand. Auf jeden Fall sah man deutlich, dass sie Vanessas Kind und nicht meines war.
Sie rannte die Rutschbahn hoch und runter und war kaum zu bremsen, ein richtiger kleiner Wildfang. Süß ist sie , dachte ich. Aber meine Lina fand ich natürlich süßer. Auch Vanessa war überrascht, als sie ihr »Exkind« sah. »Mann, hat die sich verändert!«, rief sie aus und konnte es kaum glauben – ihr erging es wohl ähnlich wie mir.
Wir redeten hauptsächlich über die Kinder, das war schließlich unser gemeinsamer Nenner. Sie erzählte mir aber auch, dass sie nun wieder einen Freund habe und mit ihm zusammengezogen sei. Und dass sie gerne Erzieherin werden und ein soziales Jahr machen wolle. Da sie so liebevoll mit Kindern umging, schien der Beruf perfekt für sie zu sein. Auch Yara war immer noch ganz begeistert von Vanessa und wollte ständig mit ihr spielen.
Vanessa sagte nicht nur, dass es ihr und Lilli gut gehe, man konnte das auch sehen. Wenn sie von Lilli erzählte – was sie schon alles könne –, waren ihre Blicke und ihre Stimme mit Mutterliebe erfüllt.
Wir vier verbrachten einen richtig schönen Nachmittag zusammen, ohne irgendwelche Schatten aus der Vergangenheit.
KAPITEL 46
L inas Taufe stand nun an, oder besser gesagt: Sie stand noch aus. Ich war so froh darüber, dass sie noch nicht getauft worden war. Das war mir fast noch wichtiger, als dass wir zusammen ihren ersten Geburtstag erleben konnten. Sie taufen zu lassen und dies zu feiern, gab mir noch mehr das Gefühl, dass sie unser Kind war.
Eigentlich wollten wir sie schon viel früher taufen lassen, aber ich hatte von Anfang an gesagt, dass ich nicht ohne Ann-Kathrin feiern würde. Ich wollte so lange warten, bis sie wieder auf den Beinen stehen und unter Leute gehen konnte – und wenn Lina vier sein würde. Ann-Kathrin war ihre Patentante, und sie sollte bei der Taufe ihres Patenkindes dabei sein. Ich hatte das Gefühl, dass ich das Ann-Kathrin schuldig war und dass das mein kleiner Beitrag sein könnte, ihre Genesung zu unterstützen.
Meine sehr katholische Schwiegermutter fragte mich zwar immer wieder: »Was ist denn jetzt mit der Taufe?«
Ihr war es sehr wichtig, dass Lina so schnell wie möglich die Taufe erhielt, und wahrscheinlich waren wir aus diesem Grund mal wieder das Dorfgespräch.
Aber ich antwortete immer dasselbe: »Ann-Kathrin geht es noch nicht so gut. Deswegen wird es noch dauern.«
Auf keinen Fall wollte ich, dass diese Taufe so vonstatten gehen würde wie die von Leni. Ich wollte unbedingt einen »Abklatsch« ihrer Taufe vermeiden. Etwas Besonderes sollte es werden. Mein erster Gedanke war gleich, in Sankt Thomas zu feiern. Ich fühlte eine Bindung zu diesem Ort, und so würde sich der Kreis schließen. Ralf gefiel die Idee ebenfalls, und so fragten wir bei Markus Weiss an, der auch sogleich zusagte. Er war der beste Pastor, den ich mir für Linas Taufe vorstellen konnte.
Im Frühjahr 2009 war es dann so weit. Wir hatten nur die engsten Familienmitglieder und Freunde eingeladen und natürlich Michael. Ralf, die Kinder und ich, meine Schwiegereltern und Nicole, wir alle reisten schon am Abend vorher an, um es ganz entspannt angehen zu lassen. Die Taufe war am frühen Nachmittag angesetzt. Alle kamen nach dem Mittagessen – bis auf Ann-Kathrin und ihr Vater. Sie steckten im Stau fest. Mein Vater war deswegen schon ganz aufgelöst. Er war nervlich einfach nicht mehr belastbar und hatte Angst, dass ihnen etwas passiert sein könnte. Aber ich bemerkte auch, dass ihm unsere Geschichte emotional sehr naheging, auch wenn er das bislang nicht so gezeigt hatte.
Völlig nervös
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