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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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    Jede Sirene musste sie um ihre Schönheit beneiden. Sie war meine Erlösung und mein Verderben.
    Ich umfing mit beiden Händen ihre Taille, setzte sie auf die Kiste und drang mit einem einzigen Stoß in sie ein. Ihr leiser Schrei erschreckte mich und war zugleich Musik in meinen Ohren. Tat ich ihr weh? Nein, Blue gurrte genüsslich, als ich mich in ihr zu bewegen begann. Sie presste ihren Schoß gegen meinen, umschloss mit den Beinen fest meine Hüften und bog ihren Rücken durch. Grenzenloses Erstaunen lag in ihren Augen. Hatte sie etwa noch nie …?
    „Jack“, flüsterte sie. „Es tut mir so leid.“
    „Was?“
    „Ich hätte niemals … niemals … du bist ein Mensch und ich …“
    „Schschsch!“ Ich konnte und wollte nicht denken. Nicht jetzt. Ganz gleich, was sie mir sagen wollte. Verrückt vor Verlangen legte ich einen Arm um ihre Schultern, den anderen um ihre Hüften, und liebte sie mit lustvoller Verzweiflung. Sanft schaukelte der Kutter auf den Wellen. Trieb mit der Strömung irgendwohin, hinein in die anbrechende Nacht. Ich verschlang ihren Körper, ihren Geschmack, ihren Duft. Ich liebte sie so sanft, wie es mir möglich war, und konnte doch nicht gegen mich an, als das Verlangen mich überwältigte und meine Bewegungen grober wurden. Irgendwann stand ich völlig neben mir. Sie erwiderte meine Heftigkeit, kam mir bei jedem Stoß entgegen, grub ihre Nägel in mein Fleisch und stieß leise Schreie aus, bis wir beide mit einem gequälten Stöhnen in uns zusammensanken und schaudernd die auslaufende Brandung unserer Lust genossen. Ihre blasse Haut glänzte im Regen, während sie erschöpft nach Atem rang. Fast erschien sie silbern.
    „Jack.“ Plötzlich löste sie sich von mir und glitt von der Kiste. Ihre Stimme zitterte. „Ich muss dir etwas zeigen.“
    „Was?“ Wie betäubt vom Nachhall unseres Liebesspiels konnte ich kaum aufrecht stehen. Ich griff nach der Reling und hielt mich fest. „Was willst du mir zeigen?“
    Sie ging in die Knie, streckte sich seitlich auf den Planken aus und hielt das Gesicht in den flüsternden Regen. Dabei wurde sie plötzlich sehr ernst, wirkte traurig und verzweifelt. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich bin nicht wie du.“
    „Nicht wie ich?“
    „Ich bin kein Mensch.“
    Sie senkte den Blick, und dann begann es. Ihr Körper veränderte sich. Er verwandelte sich!
    Das silbrige Schimmern ihrer Haut wurde noch heller. Zarte Streifen erschienen auf ihren Wangen und auf den Armen, ähnlich dem Rückenmuster einer Makrele. Glimmende Sprenkel tauchten auf, überall, dann ein verschlungenes, feines Muster, das sich wie ein Netz über ihre Wirbelsäule zog. Zwischen ihren Fingern wuchsen Schwimmhäute, ihre Nägel wurden zu Krallen. Die Beine wuchsen zusammen und verwandelten sich in einen geschuppten Fischleib. Die Füße verschmolzen, entfalteten sich zu einer prachtvollen, fächerförmigen Flosse. Blues Augen leuchteten in der Dunkelheit, als sie zu mir aufblickte.
    Mein Verstand kapitulierte. Unmöglich. Was ich vor mir sah, konnte nicht sein. Hatte ich mir irgendwo den Kopf gestoßen? Mit angehaltenem Atem setzte ich mich neben sie auf die Planken und streckte den Arm aus. Ich wollte sie berühren, mir klarmachen, dass ich nicht halluzinierte. Und dann griff ich nach ihr, ganz sanft, hob sie an den Schultern hoch und bettete ihren Kopf auf meinen Schoss. Ich streichelte ihr Haar, berührte die leuchtende Haut und die silbernen Schuppen. Befühlte das, was nicht wirklich sein konnte und es doch war.
    Im strömenden Regen endete mein Leben, so wie es bis dahin kannte. Mein Weltbild zerbrach. Ich sank über Blue zusammen und küsste sie. Schloss die Augen, lieferte mich ihr aus. Mochte geschehen, was immer geschehen wollte. Sie gab mir so viel, und ich fühlte mich ihr so nah wie noch keinem Wesen zuvor. Nichts konnte daran etwas ändern.

    Wochen später …
    Im Licht der ersten Morgendämmerung saß ich auf einem Felsen in der Brandung und beendete mein Lied. Ich kritzelte die letzten Wörter in meinen Block, obwohl meine Finger vor Kälte fast steif gefroren waren, formte sie stumm mit den Lippen und summte die Melodie dazu. Immer, wenn ich auf das Meer blickte, zerriss es mich fast vor Sehnsucht. Es war nicht nur das Verlangen nach ihr. Nach diesem berauschenden Wesen, das irgendwo dort draußen in den Wellen spielte. Es ging tiefer. So viel tiefer. Ich musste es einfach herauslassen.
    Schließlich, als mein Lied endlich fertig war, wirklich

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