Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
scherzhaft.
Tom lächelte.
"Das werde ich natürlich nicht riskieren, Mrs. Vanhelsing."
Tante Lizzy hob die Augenbrauen. "So materialistisch, Tom? Ich dachte, die Zeit, die Sie in Südostasien verbracht haben, hätte Sie in dieser Hinsicht geläutert..."
"Wie Sie wissen, war ich leider nur einige Monate bei den Mönchen des Klosters von Pa Tam Ran..." Tom hatte war dort mit geheimnisvollen Konzentrationstechniken der Mönche vertraut gemacht worden. Mit ihrer Hilfe war es ihm gelungen, die Erinnerung an seine früheren Leben wiederzuerlangen. Seit frühester Jugend war Tom von Alpträumen heimgesucht worden. Das hatten wir gemeinsam, wenn auch bei mir diese Alpträume eine völlig andere Ursache gehabt hatten. Bei mir hatten sie mit meiner übersinnlichen Begabung zu tun, während Toms Träume in Wahrheit Erinnerungsfetzen früherer Inkarnationen gewesen waren.
Wir setzten uns an den Kamin. Ich gab Tom ein Handtuch, um sich abzutrocknen. Tante Lizzy servierte den Tee. Und Tom berichtete von dem UFOlogen-Kongress, den er besucht hatte.
"Meiner Ansicht nach waren neunzig Prozent der Anwesenden Scharlatane", erklärte er.
"Das ist auch im Bereich des Okkulten und der Parapsychologie nicht anders", warf Tante Lizzy ein. "Ich bemühe mich ja seit Jahren, die Spreu vom Weizen zu trennen. Und leider ist das meiste Spreu. Mit dem Ungewöhnlichen - in welcher Form auch immer - lässt sich eben sehr viel Geld machen."
Tom nickte. "Leider hat sich das herumgesprochen."
"Aber dennoch ist der verbleibende Weizen es wert, dass man sich mit ihm beschäftigt, Tom! Denn es gibt viele Phänomene, die die Erkenntnismöglichkeiten der heutigen Wissenschaft einfach sprengt. Noch sprengt, muss man korrekterweise sagen..."
Ich hörte dem Gespräch zu und war auf einmal...
...weg.
Sehr weit weg.
Tiefschwarze Nacht...
Ein Dschungel. Ein Chor geheimnisvoller Geräusche war zu hören. Tierische Schreie, das Knacken von Ästen, das Rascheln von Blättern. Ein schwerer Geruch hing in der Luft. Der Geruch von Blütenstaub und Verwesung. Es war kaum zu ertragen.
Nur Sekunden dauerte es und ich hatte das Gefühl, wirklich dort zu sein. Als ob ich eine geheimnisvolle Brücke des Geistes überquert hatte, die Raum und Zeit zu überwinden in der Lage war.
Ich war überzeugt davon, dass ich jenen Dschungel vor mir hatte, der mir bereits im Büro der LONDON EXPRESS NEWS vor meinem inneren Auge erschienen war. Dieses Wissen ließ sich nicht begründen. Es war mehr eine Eingebung oder Ahnung, wie sie mir meine Gabe vermittelte.
Ich kämpfte mich durch die riesigen Farne und das dichte Unterholz. Plötzlich hatte ich das Gefühl, etwas suchen zu müssen. Da war ein Ziel, von dem ich eine unbestimmte Vorstellung besaß... Es war unmöglich, sich dem Drang zu entziehen, immer weiter vorwärtszumarschieren. Ich spürte, wie die Sträucher meine Haut ritzten. Immer wieder verfingen sich meine Füße in Schlingpflanzen, die über den Boden wucherten. Es war mühsam, sich durch dieses Sinnbild wimmelnden Lebens hindurchzukämpfen, ohne wenigstens eine Machete zu besitzen.
Irgend etwas Dunkles erhob sich in den hohen Baumkronen der Urwaldriesen. Der Schlag schwarzer Schwingen ließ mich zusammenzucken.
Ein greller Strahl zuckte plötzlich durch die Nacht, erfasste den großen Vogel. Das Tier war für den Bruchteil eines Augenblicks wie auf einem Röntgenbild zu sehen. Die Knochen schimmerten hervor. Dann löste sich der Vogel auf. Er zerfiel vor meinen Augen zu Staub, der zusammen mit den Knochen zu Boden fielen. Das Vogelskelett zerfiel dabei in zahlreiche Einzelteile, noch ehe es den Boden erreichte. Ich zitterte wie Espenlaub.
Es war totenstill im Dschungel.
Mir war, als ob sich eine kalte Hand auf meine Schulter gelegt hätte. Gleichzeitig spürte ich die Anwesenheit einer übersinnlichen Kraft. Ich schauderte.
Ein brummendes Geräusch ertönte. Dann hörte ich stampfende Schritte. Panik erfüllte mich, als ich den hoch aufragenden Schatten aus dem Unterholz heraus auftauchen sah. Ich kämpfte mich weiter durch das dichte Gestrüpp des Dschungels, rannte, stolperte, taumelte und arbeitete mich mit der Kraft der Verzweiflung durch das dichte Pflanzenmeer. Hinter mir spürte ich die Nähe des unheimlichen Verfolgers. Das dumpfe Brummen wurde lauter.
Mit ausholenden Bewegungen versuchte ich, die Sträucher und Farne aus dem Weg zu räumen. Und dann spürte ich plötzlich etwas Hartes.
In der Dunkelheit konnte ich nicht gleich erkennen,
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