Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
der Fraß von fast einem ganzen Jahrtausend hatte diesen Bauwerken etwas anhaben können.
Jim sah den Kambodschaner an, dessen Gestalt ihm kaum bis zur Brust reichte.
"Ja, ja, ich weiß", murmelte er. "Ihr seht es hier nicht gerne, wenn man sich auf eigene Faust durchs Land bewegt.."
"Nein, nein", erwiderte Srei. "Damit hat das nichts zu tun!"
"Ach, nein?"
"Die Roten Khmer haben die Gegend um Angkor weiträumig vermint. Der Großteil dieser Minen liegt noch unter der Erde und wartet nur darauf, einen Ahnungslosen zu zerreißen, Sir!" Jim nickte düster.
"Ich werde schon aufpassen..."
"Unterschätzen Sie die Gefahr nicht!"
"Was ist mit der Sache, um die ich Sie gebeten habe?", fragte Jim.
Sreis Gesicht blieb ausdruckslos.
"Heute Abend treffe ich jemanden in einem Cafe in Siemreap", erklärte er. "Jemanden, der uns vielleicht in den unwegsamen Norden führt und mit den Leuten zusammen-bringt, die den Kunstraub organisieren..." Jim atmete tief durch. Er hatte sich darauf eingestellt, dass diese Recherche etwas länger brauchen würde. Aber langsam begann seine Geduld zu schwinden. Das Zeitempfinden der Kambodschaner unterschied sich erheblich von dem, was er aus London gewöhnt war.
"Ein paar Tage noch", versprach Srei. "Dann ist es soweit... Und solange genießen Sie den Ausblick auf die Ruinen..."
*
Der Kontakt zu Jim Field brach plötzlich ab. Er meldete sich noch einmal über Satellitentelefon in der Redaktion und teilte mit, dass er sich von der Provinzhauptstadt Siemreap aus auf den Weg in den unwegsamen Norden machte. In jene Region, in der die Grenzen von Laos, Thailand und Kambodscha zusammenstießen. Dichter Dschungel bedeckte dort das Land ein Dschungel, der noch so manches Geheimnis enthalten mochte. Immer wieder wurden antike Khmer-Städte entdeckt, die durch die grüne Hölle jahrhundertelang verborgen gewesen waren.
Jim erklärte, dass er endlich jemanden gefunden hätte, der ihn mit den Hintermännern der Kunsträuber in Verbindung bringen konnte.
Das war das letzte, was wir von ihm hörten.
Die Tage vergingen.
Anfragen über die britische Botschaft blieben ohne jedes Resultat. Von Jim Field gab es keine Spur.
Und jeder in der Redaktion hoffte, dass es vielleicht nur daran lag das Jims technisches Equipment den klimatischen Bedingungen nicht standgehalten hatte. Die hohe Luftfeuchtigkeit im tropischen Regenwald, die zum Teil extremen Temperaturen... Das konnte Laptops und Satellitentelefone schon mal außer Gefecht setzen. Eines Nachts erwachte ich schweißgebadet in Toms Armen. Es dauerte einige Augenblicke, bis ich begriff, dass ich mich in Toms Wohnung befand.
Er legte den Arm um mich, drückte mich an sich.
"Was hast du gesehen?", fragte er. Das dunkle Timbre seiner Stimme vermittelte mir das Gefühl von Sicherheit.
"Immer dasselbe", flüsterte ich. "Ich sehe es dauernd..."
"Was?"
"Jim Fields Gesicht in Stein gemeißelt, irgendwo im Dschungel..." Ich sah ihn an, fasste ihn bei der Schulter. "Er ist in Gefahr, Tom! In entsetzlicher Gefahr..."
"Weißt du irgend etwas Näheres?"
"Nein."
"Versuch dich an jede Kleinigkeit deines Traums zu erinnern!", verlangte er.
"Da war auch immer diese unheimliche Gestalt, von der ich dir schon erzählt habe..." Ich schluckte. "Und noch etwas..."
"Was?"
"Es hatte mit dem Relief zu tun, ich fuhr mit Hand darüber, sah Jims Gesicht in Stein gemeißelt... Und dann war da noch eine Art Zeichen... Ein Symbol!"
Ich stockte.
"Wie sah es aus`? Versuch es zu beschreiben..."
"Nein, das ist unmöglich."
Ich schlug die Bettecke zur Seite, stand auf. Meine Handtasche hing über einem Stuhl. Ich habe immer einen Notizblock dabei. Der ist in meinem Job unerlässlich. Ich machte Licht, dann kehrte ich zum Bett zurück, setzte mich auf die Kante und begann das Symbol zu zeichnen, das ich im Traum gesehen hatte.
Tom sah mir über die Schultern.
Er hob die Augenbrauen.
"Ich kenne dieses Zeichen", erklärte er dann fast tonlos, als er auf die verschlungenen Linien starrte, die ich auf das Papier gebracht hatte. "Ich sah es im Tempel von Pa Tam Ran!"
"Bist du dir sicher?"
"Ja, da gibt es keinen Zweifel..."
"Was bedeutet es?"
Tom schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht..."
*
Am nächsten Morgen ließ Michael T. Swann Tom und mich in sein Büro rufen. Swann schien nicht viel geschlafen zu haben. Unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Er war ein Mann, der kaum Privatleben kannte und sein Leben ganz den LONDON EXPRESS
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