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Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)

Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)

Titel: Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Umgebung ihnen bietet", erklärte er.
    Normalerweise lebten buddhistische Mönche von den Almosen ihrer Mitmenschen. So sah man sie selbst in relativ modernen asiatischen Städten wie Bangkok mit einer Reisschale durch die Straßen gehen. Für jeden Gläubigen war es eine Ehre, ihnen etwas zu geben. Aber hier, in den Tiefen des kambodschanischen Dschungels, gab es niemanden, von dessen Almosen sie hätten leben können. Niemanden, außer der Natur selbst.
    Zwei Stunden später tauchte etwas Graues zwischen den Bäumen auf.
    "Eine Mauer", stellte Tom fest. "Das müssen die äußeren Ruinen sein, von denen ich sprach. Ich glaube, wir sind am Ziel, Patti..."
    Das weckte neue Kräfte. Wir kämpften uns durch die mannshohe Vegetation. Und dann entdeckten wir Pfade, die offenbar vor gar nicht langer Zeit von anderen gebahnt worden waren. Die Sträucher und die hohen Farne waren zur Seite gedrückt.
    "Vielleicht waren das die Mönche", meinte Tom.
    "Ich weiß nicht", murmelte ich und deutete auf einige der umstehenden Baumstämme. "Siehst du das da?", fragte ich. Es sah aus wie Kratzspuren. Sie waren in einer Höhe, die ein Mensch - auch ein sehr großgewachsener - kaum erreichen konnte.
    Toms Gesicht verdüsterte sich.
    "Immer vier parallele Kratzer in der Rinde!", stellte er fest.
    Wir wechselten einen kurzen Blick.
    "Das Monstrum war hier, nicht wahr?"
    "Ja, Patti... Sieht ganz so aus."
    Wir erreichten die Mauer. Ein mulmiges Gefühl hatte sich indessen bei mir breitgemacht. Ich wusste, was ich hier finden würde. Schließlich hatte ich es in einer meiner Visionen bereits gesehen... Das diese Visionen nicht unbedingt so eintrafen, wie ich sie gesehen habe, daran war ich gewöhnt. Tante Lizzy erklärte es so, dass ich dort eine mögliche Zukunft, aber nicht die einzig mögliche sah. Der Unterschied bestand in diesem Fall darin, dass es jetzt hell war und das Monstrum sich im Augenblick allem Anschein nach nicht an unsere Fersen geheftet hatte.
    So hofften wir zumindest...
    Ich versuchte, mentale Energieballungen zu erspüren. Aber vergeblich.
    Doch das musste nichts heißen.
    Ein Anlass unvorsichtig zu werden, durfte das nicht sein. Mit fieberhafter Eile wandte ich mich der Mauer zu. Ein Prickeln durchflutete meinen Arm, als ich den kalten Stein berührte. Ich riss einige wuchernde Büsche zur Seite. Ein Relief aus zahllosen Gesichtern wurde sichtbar. Eines neben dem anderen. Aber es waren nicht die verklärten, in sich ruhenden Züge eines Buddhas, die man in der Khmer-Kunst so häufig antreffen konnte. Die Gesichter waren verzerrte Masken der Angst. Als ob sie im Augenblick höchsten Schreckens buchstäblich versteinert worden waren...
    Ein Panoptikum des Grauens.
    "Nein...", flüsterte ich. Der Anblick dieser Mauer war für mich wie ein Keulenschlag. "In meiner Vision habe ich Jims Gesicht in dieser lange Reihe gesehen, Tom!" Ich fasste mir an die Schläfen und fühlte nun etwas, das mir wie eine große Ansammlung mentaler Energie vorkam... Ein Gedankenchor strömte auf mich ein.
    Verzweifeltes Wehklagen, Schreie des Entsetzens und der Trauer...
    "Hört auf!", rief ich.
    Der telepathische Chor der Verdammten wurde stärker. In vielen Sprachen kamen mir die Klagen entgegen. Einen Augenblick drehte sich alles vor meinen Augen. Die furchtbaren Gesichter dieser Gequälten schienen zu mir zu sprechen..."
    "Patti!"
    Es waren Toms Hände, die mich an der Schulter packten und mich schüttelten. Ich war wieder im Hier und Jetzt, atmete tief durch und versuchte mich so gut es ging abschirmen. Der Chor der Verdammten wurde leiser, war jetzt wie das leise Lied eines fernen Windes, der über die Hügel strich. Das Echo einer anderen Wirklichkeit, gespenstisch und doch real genug, um einem das Blut in den Adern gefrieren lassen zu können. Ich sah Tom an.
    "Tom, ich konnte ihre Stimmen hören!"
    "Welche Stimmen?"
    "Die mentalen Stimmen dieser Menschen..." Ich deutete auf die Gesichter... "Es sind die Seelen der Verlorenen, Tom..." Tom ließ mich los, sah sich die Gesichter an. Seine Augenbrauen bildeten eine Schlangenlinie. Wir gingen die schier unendliche Reihe entlang. Über mindestens hundert Meter zog sich diese Mauer der Verdammten in beide Richtungen hin. Offenbar war sie Teil eines Gebäudes oder einer Ruine. Ich fragte mich, was dahinter liegen mochte.
    "Tom, erinnerst du dich daran, während deiner Zeit in Pa Tam Ran, solche Gesichter gesehen zu haben?"
    "Nein", flüsterte er. "Pa Tam Ran war ein Ort der Harmonie und des

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