Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
waren in den Stein gemeißelt. Und über dem offenen Rundbogentor standen in einer Schrift, die mit den Buchstaben des Khmer-Alphabets, wie es heute in Kambodscha Verwendung fand, wenig Ähnlichkeit hatte. Um diese Tempelanlage herum standen Gebäude aus Holz und Bambus.
"Steinhäuser sind bei den Khmer traditionellerweise nur etwas für die Götter - aber nicht für die Menschen ", erläuterte Tom.
Wir warteten erst etwas ab, dann wagten wir uns auf die Lichtung vor.
Durch ein Fenster konnten wir in eines der Holzbauten hineinblicken. Uns erwartete jenes Bild des Grauens, das wir insgeheim erwartet hatten. Von den Mönchen war nichts geblieben, außer Knochen...
Nicht einmal der Staub, zu dem sie zerfallen waren. Den musste jenes Ungeheuer aufgesaugt haben, dem wir am Fluss begegnet waren.
"Ich fürchte, wir werden hier keine lebende Seele mehr finden ", murmelte Tom düster.
"Was ist hier geschehen, Tom?"
"Na, dieses Wesen..."
"Aber das war ja nicht immer hier. Jemand muss es beschworen oder auf andere Weise herbeigerufen haben..." Ich fasste unwillkürlich an die Schläfe, als ich ganz schwach eine Konzentration von übersinnlicher Kraft spürte. Tom bemerkte das.
"Dies scheint wirklich ein Ort zu sein, an dem sich kosmische Kraftlinie überschneiden. Die Alten müssen das gewusst haben, sonst hätten sie nicht den Tempel hier hingebaut. Und die Mönche von Pa Tam Ran haben es auch gewusst. Sonst hätten sie sich einen gastlicheren Ort suchen können, als diese Einöde, mitten im Dschungel. Der Wunsch nach Abgeschiedenheit und mönchischer Einsamkeit war nicht der einzige Grund..."
"Worauf willst du hinaus?"
Tom sah mich an.
"Wäre ein solcher Ort nicht wie geschaffen für jegliche okkulte Beschwörungen? Für magische Rituale, Séancen und so weiter?"
Ich nickte.
"Ja, das wäre er..."
"Ich fürchte, dass der ORDEN DER MASKE das auch weiß."
"Wenn der hinter der Beschwörung dieses Monstrums steckt, dann würde das erklären, weshalb man versuchte, uns in Siemreap aufzuhalten..."
Tom lächelte matt.
"Du weißt nicht, was man wirklich mit uns vor hatte", erinnerte er mich.
Er hatte recht.
Tom sah mich ab.
Er strich mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. "Der ORDEN hat nicht nur einmal versucht, dich auf seine Seite zu ziehen, oder für seine Zwecke zu manipulieren!"
"Was ihnen auch beinahe gelungen wäre", erwiderte ich.
"Du hast eine übersinnliche Begabung und immenses okkultes Wissen. Beides macht dich für den ORDEN interessant..."
"Ja, ich weiß...", murmelte ich.
Ich blickte mich um, lauschte und erschrak.
Es war, als ob eine eiskalte Hand sich auf meine nackte Schulter legte. Obwohl es fast unerträglich heiß war, spürte ich eine Kälte in mir aufsteigen und den verborgensten Winkel meiner Seele ausfüllen, die alles überstieg, was ich je in dieser Hinsicht erlitten hatte. Eine Gänsehaut überzog meine Unterarme.
"Es ist so still...", flüsterte ich. Jetzt bemerkte Tom es auch.
Kein Laut war zu hören.
Jegliches Leben war in der Umgebung auf geheimnisvolle Weise völlig verstummt.
"Weg hier!", sagte Tom entschlossen.
"Wohin?"
"In den Tempel!"
"Aber wenn sie dort sind?" Tom verstand, wen meinte. Die Mitglieder des ORDENS DER
MASKE.
Er nahm mich bei der Hand. "Das Risiko müssen wir auf uns nehmen. Wenn wir irgendwo Schutz finden, dann im Klostertempel von Pa Tam Ran..."
Wir liefen durch das hohe Gras. Ich blickte mich immer wieder um und erwartete jeden Moment, das Monstrum aus dem Unterholz des nahen Waldes hervorbrechen zu sehen. Den Bringer der Seelenverlorenheit - oder zumindest einen seiner Diener...
Ein passender Name, dachte ich.
Der charakteristische Brummlaut, der das Monstrum bereits einmal angekündigt hatte, ertönte. Äste knackten, kleinere Bäume und Sträucher wurden einfach zur Seite gedrückt... Und dann die stampfenden Schritte. Ich blieb kurz stehen, blickte über die Schulter und sah, wie sich das Monstrum durch die Vegetation kämpfte. Es trat auf die Lichtung hinaus und blieb kurz stehen. Der augenlose Kopf drehte sich etwas herum. Ich hatte keine Ahnung, auf welche Weise dieses Wesen seine Umwelt wahrnahm. Aber Tatsache war, dass es sich orientieren konnte, möglicherweise mit Hilfe übersinnlicher Kräfte.
Es stieß einen knurrenden Laut aus, der das dumpfe, monotone Brummen ablöste.
Die Sonne schien auf die glatte, chitinartige Außenhaut. Das Licht spiegelte sich darin.
Wir erreichten das Tor jener grauen, zum Teil mit Moos
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