Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
Friedens. Und auch die Gesichter auf den Tempelreliefs drückten dies aus." Er schüttelte energisch den Kopf. "Nein, Patti. Ich bin mir sicher. Daran hätte ich mich erinnert..."
Dann blieb er plötzlich stehen.
Er stockte.
Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, wie ich ihn selten bei ihm gesehen hatte. Es war eine Mischung aus Verwunderung und Verstörung...
"Was ist, Tom?"
"Ich bin mir nicht sicher, aber..."
"Was?"
"Ich muss mich täuschen. Ich glaubte eben, einige dieser Gesichter wiederzuerkennen!"
"Tom, du täuschst dich nicht! Wen erkennst du?" Ich sah ihn beschwörend an.
Er wandte den Kopf in meine Richtung. Dann deutete er auf eines der Gesichter und sagte: "Das ist Meister Heng Tem, einer jener Mönche, denen ich damals hier begegnete..." Wir gingen weiter und ich zwang mich dazu, mir jedes dieser Gesichter genau anzusehen. Der Chor ihrer mentalen Stimmen war dabei immer im Hintergrund... Ein geisterhaftes Klagen und Stöhnen, das an den Nerven zerrte.
Immer wieder lagen vor der Mauer kleinere Haufen von Knochen und Gebeinen. Totenschädel sahen uns an. Hier und da fanden sich auch skelettierte Tiere.
Tom hob das orangefarbene Gewand eines Mönchs vom Boden auf. "Hier muss etwas Furchtbares geschehen sein..." Dann fiel mir ein Haufen Knochen auf. Kleider lagen dazwischen. Eine Jeans, die völlig zerfranst und mindestens ein Dutzendmal geflickt worden war. Und eine Kamera, die ich nur zu gut kannte...
"Nein!", rief ich. Obwohl ich genau dies geahnt hatte. Ich schritt zögernd auf jene Stelle zu. Ungläubiges Entsetzen hatte mich erfasst. Dann nahm ich die Kamera an mich und hängte sie mir um. Vielleicht konnte die Entwicklung von Jim Fields letzten Bildern uns irgendwann Aufschluss über das geben, was geschehen war...
Ein dicker Kloß steckte mir in der Kehle.
Mein Blick glitt empor, weg von den leeren Augenhöhlen, mit denen mich der zwischen den Gebeinen liegende Totenschädel anzustarren schien. Ich blickte direkt in eines der steinernen Gesichter. Es hob sich deutlich von den anderen ab, die zumeist eindeutig asiatische Gesichtszüge aufwiesen. Auf dieses Gesicht traf das nicht zu.
"Jim!", stieß ich hervor.
Der Chor der Verdammten dröhnte in meinem Kopf. Die mentalen Stimmen wurden lauter, ihr Klagen drängender. Ich versuchte, Jim aus diesem Chaos herauszuhören... Aber das war unmöglich. Und sobald ich die geistige Abschirmung vernachlässigte, schlug wieder eine Flut von ungeordneten Gedanken und mentalen Impulsen über meinen Bewusstsein zusammen.
Ich konnte grade noch verhindern, dass ich unter dem Ansturm dieser bedrängenden Eindrücke das Bewusstsein verlor. Ein leichter Schwindelanfall, das war alles. Ich atmete tief durch. Tränen rannen mir über das Gesicht. Ich hatte es gewusst. Wir waren zu spät...
Jims Seele war verdammt für alle Zeiten.
Nicht einmal auf eine Reinkarnation konnte mein Kollege noch hoffen.
Ein Schicksal, grausamer als der Tod...
*
Das Ende der Mauer war ziemlich abrupt. Sie hörte einfach auf. Es sah aus, als ob ein Teil von ihr irgendwann im Lauf der Jahrhunderte abgetragen worden war. Vielleicht hatte man aus den Steinen neue Gebäude errichten wollen. Dahinter befand sich wieder dichte Vegetation. Wir kämpften uns vorwärts. Zwischendurch trafen wir immer wieder auf Überreste von Mauerwerk, steinerne Ruinen, die seit Jahrtausenden von der Vegetation überwuchert wurden.
Und wir fanden Gebeine...
Ein schauriger Anblick.
"Ich weiß jetzt, wo wir sind!", meinte Tom, der ein immer schnelleres Tempo vorlegte. Ich hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Aber ich verstand nur zu gut, was ihn vorantrieb. Er musste damit rechnen, dass jene Mönche, unter denen er monatelang gelebt hatte und die ihm einen Weg gezeigt hatten, die verschütteten Erinnerungen an frühere Inkarnationen zu erlangen, allesamt tot waren.
Ermordet von einem furchtbaren Monstrum, dessen grausige Vorgehensweise wir bereits gesehen hatten...
Wir erreichten einen schmalen Pfad, der erst vor kurzem in den Dschungel geschlagen worden sein konnte. Die Vegetation hatte sich das verlorene Terrain noch nicht zurückerobert.
"Wir müssen gleich am Ziel sein", murmelte Tom. "Im Kloster von Pa Tam Ran..."
Ich fragte mich, was uns dort erwartete.
*
Das Kloster lag auf einer mit Gras bewachsenen Lichtung. In der Mitte befand ein Gemäuer aus grauem Stein. Diese Mauer umgab einen Kuppelbau, von dem nur die obere Hälfte die Mauer überragte. Zahlreiche Verzierungen
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