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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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der Branche ausgemacht.
    »Nimm die Hintertreppe, wenn Du zu einem Treffen gehst. Nimm nicht dein Auto, sondern ein Taxi. Fahr zu einem Hotel, an dem nach Mitternacht noch Taxis warten. Nimm ein zweites Taxi, das dich nach Rosslyn bringt. Geh die letzten Häuserblocks zu Fuß. Wenn du verfolgt wirst, geh nicht in das Parkhaus. Ich weiß schon Bescheid, wenn du nicht kommst.« [17]
    Der Mann, der diese Anweisungen gab, wusste, wie er seine Spuren zu verwischen hatte – es war sein Beruf. William Mark Felt, stellvertretender Direktor des FBI zu Zeiten der Watergate-Affäre. Sein Spezialgebiet: die Spionageabwehr der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. In die Geschichts- und Lehrbücher für Journalisten ist Felt aber unter einem anderen Namen eingegangen, unter der Bezeichnung jenes mysteriösen Informanten, der US-Präsident Nixon das Amt kostete: »Deep Throat«.
    Eine rote Fahne im Blumentopf hinter dem Haus, zwei handgekritzelte Zeiger auf Seite 20 der New York Times, um die Uhrzeit für das nächste Treffen mitzuteilen. Spätestens seit PRISM und Tempora erscheinen die Methoden, mit denen Reporter-Legende Bob Woodward und Deep Throat miteinander kommuniziert hatten, geradezu als rührend.
    40 Jahre nach Veröffentlichung des Watergate-Skandals wäre ein solches Treffen, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, vermutlich binnen weniger Stunden Ermittlungsarbeit aufgeflogen. Die Tiefgarage am Wilson Boulevard in Rosslyn County, Virginia, wird heute videoüberwacht. Die GPS-Daten der Taxis, um dorthin zu gelangen, auf unbestimmte Zeit gespeichert und damit rekonstruierbar.
    Die Enthüllungen der NSA-Spionageprogramme durch Edward Snowden lassen vieles, was wir vor kurzem noch als selbstverständlich angesehen haben, in neuem Licht erscheinen. Die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland, das Recht auf Privatsphäre, die Pressefreiheit. Die informationelle Selbstbestimmung, laut Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Union im Bundestag, eine »Idylle aus längst vergangenen Zeiten«?
    »Mobiltelefone, Glasfaserkabel, PCs und den Internetverkehr, zu denen sich die NSA Zugang verschafft, gab es in der Blütezeit der Stasi noch gar nicht«, schreibt Daniel Ellsberg in seinem vielbeachteten Kommentar in der Washington Post mit dem Titel »United Stasi of America«. Der Whistleblower der Pentagon-Papiere zieht damit einen Vergleich, den Bundespräsident Joachim Gauck noch im ZDF-Sommerinterview entschieden ablehnte: »Wir wissen zum Beispiel, dass es nicht so ist wie bei der Stasi und dem KGB, dass es dicke Aktenbände gibt, in denen unsere Gesprächsinhalte alle aufgeschrieben und schön abgeheftet sind. Das ist es nicht.« Gauck vertraut seinem Freund, einem anderen ehemaligen Bürgerrechtler und späteren Präsidenten: Barack Obama.
    Die Datenjournalisten von OpenDataCity wollten die Aussagen des Bundespräsidenten so nicht stehen lassen und programmierten eine interaktive Landkarte, nach der die Zettabytes an NSA-Daten, ausgedruckt in Aktenschränken, eine Fläche von ganz Europa einnehmen würden. »Die technischen Möglichkeiten von heute wären der feuchte Traum der Stasi gewesen«, so die aus der ehemaligen DDR stammende Piraten-Politikerin Anke Domscheit-Berg in der Talkshow Maybritt Illner.
    Wenn Angela Merkel in diesen Tagen von der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit spricht, dann sind es oft Journalisten, die den Behörden mit ihren Recherchen in die Quere kommen. Reporter, die ihren Informanten als Schutzschild gegen staatliche Willkür und Amtsmissbrauch dienen. Doch mit der voranschreitenden Digitalisierung unseres Leben und einer ausufernden Datensammelwut des Staates werden diese Schutzschilde löchrig. Es stellt sich die Frage: Wie steht es eigentlich um die Balance zwischen Staatsgewalt und Pressefreiheit?
    Noch bevor Edward Snowden das Flugzeug nach Hong Kong bestiegen hatte, erschütterte ein anderer, fast schon vergessener Skandal die Medienlandschaft: der gezielte Lauschangriff der US-Regierung auf Journalisten der Associated Press. Mindestens 20 Telefonanschlüsse, darunter auch die privaten Leitungen einiger AP-Mitarbeiter, wurden vom Justizministerium abgehört, um einen Informanten in der Bengasi-Affäre ausfindig zu machen.
    Edward Snowden, Bradley Manning, John Kiriakou (ein ehemaliger CIA-Analyst, der das Waterboarding publik machte und dafür heute im Gefängnis sitzt) – nach Aussage des früheren NSA-Mitarbeiters Thomas Drake geht die Obama-Regierung bei ihrer Jagd auf

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