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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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haben: Wie funktionieren Indiens Geheimdienste? Und haben wir ähnliche Systeme zur Massenüberwachung?
    Wenig öffentliche Bekanntmachung
    In Indien – dem Heimatland des wohl ältesten Geheimdienstes der Welt, dem Intelligence Bureau – gibt es eine seltsame Mischung von großer Transparenz und sehr wenig Rechenschaftspflicht, was Überwachung und Geheimdienste angeht. Viele hochrangige Beamte geben Reportern bereitwillig anonym Auskunft [190] , was zu einer Menge an ‘inoffiziellem’ Wissen über den Stand der Überwachung in Indien führt. Hingegen gibt es nur sehr wenig, was offiziell berichtet wird und noch weniger davon wird in der nationalen Presse und im Parlament diskutiert. Diese fehlende Verantwortlichkeit wird im gleichen Kontext gesehen wie die Art und Weise, in der die Big-Brother-Akronyme (CMS, NATGRID, TCIS, CCTNS, etc.) sowie der Status der Geheimdienstbehörden in Indien eingeführt wurden: Keine davon wurde jemals durch einen Parlamentsbeschluss mit klaren Regeln und Kompetenzgrenzen eingerichtet. Es gibt überhaupt keine öffentliche Rechenschaftspflicht oder Überprüfung, außer durch eben denjenigen Flügel der Regierung, der die Institutionen und Projekte zuerst eingerichtet hat.
    Zentralisiertes Überwachungssystem
    Dieser Mangel an Verantwortlichkeit hat dazu geführt, dass die Regierung seit 2006 an einem zentralisierten Überwachungssystem (CMS) gearbeitet hat, das in das ebenfalls eingeführte Telefon-Abörsystem TCIS integriert wurde. Die Kosten betragen mehr als 8 Milliarden Rupien (mehr als das Vierfache der anfänglichen Schätzung von 1,8 Milliarden Rupien) und noch viel wichtiger: Es kostet unser aller Privatsphäre und unsere persönliche Freiheit. Momentan müssen alle Internet Service Provider und Telefonanbieter (zusammengefasst: Telcos) der Regierung direkten Zugriff auf alle Kommunikation geben, die über ihre Leitungen läuft. Das geschieht jedoch im Moment auf dezentrale Art und Weise, und in den meisten Fällen muss die Regierung die Telcos nach den Metadaten fragen (detaillierte Anrufdaten wie: Wer hat wen wie lange wann angerufen? Welche Webseiten wurden besucht? Wem wurde eine bestimmte IP zugewiesen) oder sie zum Abhören aufforden, damit sie die Daten der Regierung zur Verfügung stellen. Darüber hinaus benutzt die Regierung Instrumente (darunter jene, die von Narus erworben wurden, einer Tochtergesellschaft von Boeing, die aus dem israelischen Geheimdienst entsprungen ist), um Zugriff auf riesige Datenmengen zu bekommen, die zwischen mehreren Städten hin- und hergehen, was die Daten der Unterseekabel, die in Bombay ankommen, mit einschließt. Mit dem CMS wird die Regierung von zentraler Stelle aus Zugriff auf alle Metadaten und Inhalte von Kommunikation erhalten, die indische Telekommunikationsnetze durchlaufen. Das bedeutet, dass die Regierung all deine Anrufe mithören kann, all deine SMS, Emails und Chats lesen kann. Sie kennt all deine Googlesuchen, Webseitenafrufe, Benutzernamen und Passwörter, wenn deine Kommunikation nicht verschlüsselt ist.
    Man könnte sich fragen: Warum ist das ein Problem, wo die Regierung doch bereits jetzt dezentralen Zugriff hat? Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst in die Gesetze schauen.
    Überwachungsgesetze in Indien
    Es gibt keine Gesetze in Indien, die Massenüberwachung erlauben. Die beiden Gesetze, die sich mit Abhörung beschäftigen sind der Indian Telegraph Act, 1885 (unter Absatz 5(2) zusammen mit Regel 419A) und der Information Technology Act (IT Act’s Absatz 69 zusammen mit den betreffenden Regeln). Beide erlauben die gezielte Überwachung im genehmigten Einzelfall (in nicht dringlichen Situationen) durch den Innenminister oder den Minister in der Abteilung Informationstechnologie. Der Telegraph Act von 1885 weist an, dass das Abhören von Kommunikation nur im Fall eines Notfalls oder der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit zulässig ist. Wenn eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist, kann sich die Regierung auf einen der folgenden fünf Gründe berufen: »Die Souveränitat und Integrität Indiens, die Staatssicherheit, freundschaftliche Beziehungen zu anderen Staaten oder die öffentliche Ordnung oder die Verhinderung der Anstiftung zum Begehen einer Straftat«.
    2008 hat der Information Technology Act viele der Vorkehrungen zur Abhörung aus dem Telegraph Act kopiert, aber diese beiden Voraussetzungen entfernt. (Oh, welch’ Ironie, wenn ein koloniales Gesetz die Privatsphäre besser

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