Überwachtes Netz
Kooperationsbeziehungen nicht Halt macht.
Überwachungs-Befürworter argumentieren unter anderem, dass man ein Recht auf Privatsphäre verwirkt, wenn man digitale Dienste nutzt, vor allem amerikanischer Firmen. Müssen wir zukünftig in den Wald gehen, um privat kommunizieren zu können?
Dass man seine privaten Rechte verwirkt, wenn man die großen US-Internetanbieter nutzt, würden diese wohl selbst am heftigsten dementieren. Dass diese sich gegenwärtig in einer Vertrauenskrise befinden, aus der sie aus eigener Kraft nicht herauskommen werden, ist eine neue Erfahrung für sie. Wir können und wir wollen die technischen Entwicklungen der Kommunikation und Information nicht zurückdrehen. Wir müssen aber die Bedingungen neu verhandeln, mit denen sich Staaten über die Anbieter von Kommunikations- und Informationsdiensten beliebig die Daten der Nutzer verschaffen können.
Welche konkreten Schritte können auf nationaler und internationaler Ebene unternommen werden, um diese Überwachung zurückzudrängen?
Angesichts der Komplexität des Überwachungsproblems müssen unterschiedliche Ansätze zum Einsatz kommen. Wichtig ist zunächst die internationale Dimension. Wir brauchen völkerrechtlich verbindliche Regelungen zum Schutz der digitalen Grundrechte, gerade im Verhalten der westlichen Demokratien untereinander. Daneben ist es erforderlich, dass sich die EU mit einem einheitlichen Datenschutzrecht gegen die flächendeckende Überwachung einsetzt und auch die Charta der Grundrechte gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten durchsetzt. Auf nationaler Ebene ist die Kontrolle der Geheimdienste zu aktivieren. Hier sollte darüber nachgedacht werden, die Datenschutzbeauftragten künftig in diese Aufgabe einzubinden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die öffentliche Förderung einer datensicheren Infrastruktur, die künftig eine anonyme Nutzung von Telekommunikationsangeboten ermöglicht.
Im Moment sieht es so aus, als würde das mediale und politische Interesse an der Thematik sinken. Was haben die Enthüllungen konkret gebracht?
Die Enthüllungen haben die Dimensionen der Überwachung vor Augen geführt. Es kann nun niemand mehr sagen, er hätte nichts gewusst. Wenn die öffentliche Präsenz des Themas sinkt, wäre dies verhängnisvoll und würde jenen Kräften helfen, die alles dafür tun, uns daran zu gewöhnen, dass wir doch eigentlich gut regiert werden und nichts zu befürchten haben.
Was kann jede/r konkret tun, um sich dagegen zu engagieren?
Jeder sollte sich darüber informieren, wie er mit seinen Daten in der Zeit nach Snowden sicherer umgehen kann. Wir dürfen unsere Aktivtäten jedoch nicht nur darauf ausrichten, uns vor der Überwachung möglichst gut zu verstecken, vielmehr gilt es, die Verantwortung der Überwachung auch im politischen Prozess festzumachen und sich für eine Veränderung der gegenwärtigen Strukturen einzusetzen.
Das Interview führte Markus Beckedahl.
Interview mit Dirk Heckmann
Waren Sie überrascht, als sie von den ersten Enthüllungen hörten?
Ich war nicht wirklich überrascht, habe ich doch in früheren Publikationen (u.a. zum US PATRIOT Act und Cloud Computing) bereits auf Risiken des Zugriffs auf Server durch Geheimdienste hingewiesen.
Hat Sie das Gesamtausmaß überrascht?
Das auf jeden Fall. Insbesondere dachte ich bislang nicht, mit welcher Nonchalance (um es höflich auszudrücken) sich »befreundete« Staaten und Institutionen belauschen. Auf welcher Basis finden künftig vertrauliche Sitzungen statt?
Welche Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft hat die enthüllte Überwachungsmaschinerie im Gesamtbild?
Die Auswirkungen sind noch gar nicht abschließend zu erfassen. Es ist aber denkbar, dass der demokratische Rechtsstaat in eine Legitimationskrise gerät. Dies nicht nur durch intransparente Informationszugriffe von Sicherheitsbehörden, sondern auch durch eine abwiegelnde Haltung des Staates nach medialer Aufklärung.
Müssen wir uns jetzt damit abfinden, dass die massenhafte Überwachung normal ist und sein muss, wie die Bundesregierung uns das erklären will?
Natürlich nicht. Vielmehr brauchen wir eine offene, sachliche und sachverständige Diskussion um notwendige Grenzen für Informationszugriffe durch staatliche Behörden sowie deren Zusammenarbeit mit Internetdienstleistern.
Gelten unsere Grundrechte nur auf » deutschem Boden « ?
An deutsche Grundrechte sind nur deutsche Behörden, und nicht etwa amerikanische Geheimdienste gebunden. Das hat aber
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