Ueberwaeltigend
Sieh mich an, ich bin immer noch die Gleiche, ich liebe dich!", kreischt sie, bevor sie ihn küsst, als ob ihr Leben davon abhinge.
Ich werde Zeugin dieses markerschütternden Kusses, als ob ich einfach nur ein Teil der Dekoration wäre und die einstigen Liebenden alleine auf der Welt wären.
Gabriel liebt sie immer noch, das hat er mir erst gestern gestanden. „Auf eine ganz andere Art und Weise.“ Diese Aussage erhält jetzt ihren Sinn. Er liebt sie, wie er mich niemals lieben wird. Ich kann nicht mehr kämpfen, ich habe keine Kraft und auch keine Lust mehr. Als er sich endlich brutal aus dieser Umarmung befreit und mich schuldbewusst und verwirrt ansieht, habe ich meine Entscheidung bereits getroffen.
„Ihr gehört zueinander. Ich … Ich habe es … verstanden“, murmle ich, während ich mit Tränen in den Augen davongehe.
„Amande, NEIN! Amande, tu mir das nicht an! Amandine!“, schreit Gabriel verzweifelt und versucht, mich zurückzuhalten.
Mit meiner allerletzten Kraft stoße ich ihn weg und sehe ihn ein letztes Mal mit traurigem Blick an.
„Es ist vorbei, Gabriel, es war von Anfang an schon aussichtslos. Lass mich gehen und dich vergessen, lass mich das Leben leben, das ich verdient habe. Ich möchte nicht mehr leiden … Ich möchte, dass all das endlich ein Ende nimmt.“
Tränen laufen über sein schönes Gesicht, seine Augen flehen mich an, aber kein Ton dringt zwischen seinen schmerzvoll verzerrten Lippen hindurch. Ich laufe davon, als ob der Teufel hinter mir her wäre, ohne mich umzudrehen und ohne zu wissen, wohin ich gehen soll. Meine Vernunft schaltet sich aus, ich stürme in unser Zimmer zurück, schnappe mir meine Handtasche und renne schließlich in das Zimmer von Camille und Silas. Ich finde die Schlüssel des Mietwagens, nehme sie an mich, stürze die Treppe wieder hinunter, hinaus auf den Parkplatz und setze mich hinters Steuer.
Ich fahre los, durch das große Tor, vorbei an dem Häuschen der Sicherheitsbeamten, hinaus auf die Straße. Ich fahre, ohne nachzudenken, ohne mir Fragen zu stellen. Ich weine still auf dieser beinahe menschenleeren Bundesstraße. Ich nehme die paradiesische Landschaft, die an mir vorbeizieht, nicht mehr wahr, ich denke nur noch daran zu überleben. Zu fliehen, dieses Haus, seine verrückten Leute und diesen wahnsinnigen Mann zu verlassen, der unsere Liebe, unsere Gegenwart und unsere Zukunft mit Füßen tritt. Um nicht weiter nachzudenken, schalte ich das Radio ein. Ich drehe lauter, so laut, dass es knistert, aber es ist mir völlig egal. In dem Moment kündigt der Radiomoderator das nächste Lied an: „Diamonds“ von Rihanna.
Ein Zeichen?!
Ich drehe das Lenkrad um 180 Grad, drehe um, wobei ich unweigerlich mein Leben und jenes der anderen Autofahrer gefährde. Was habe ich nur getan?! Ich bin verrückt! Ich habe gerade den Mann verlassen, den ich mehr als alles andere auf dieser Welt liebe! Ich habe ihn in den Armen einer anderen zurückgelassen! Mich trennen nur wenige Kilometer von der Villa, ich werde in weniger als fünfzehn Minuten dort sein und ich werde … ich werde …
JA sagen!
Ja, ich will dich heiraten!
Mit dir leben und mit dir sterben!
Endlich habe ich den höchsten Punkt des Hügels erreicht, von dem aus ich das Anwesen der Diamonds sehen kann, als mich eine Polizeiabsperrung plötzlich dazu zwingt zu bremsen. Feuer, ich sehe nichts als Feuer! Ich springe aus dem Auto und stürze mich auf einen der Polizisten, der mich daran hindert weiterzugehen.
„Entschuldigen Sie, Fräulein, aber Sie können aus Sicherheitsgründen nicht durch. In diesem Haus am Fuße des Hügels hat sich ein folgenschwerer Zwischenfall ereignet, sehen Sie?“
Ich weiß nicht, was ich sehe, denn die Angst und die Wut zerfressen mich. Ich reibe meine tränenblinden und vor Staub juckenden Augen, ich schreie, winde und weigere mich, diese Tragödie, dieses katastrophale Spektakel zu akzeptieren. Stechende Tränen beginnen, mich innerlich zu zerfressen. Der Ostflügel der Villa steht in Flammen, die ihn buchstäblich auffressen, die Sirenen der Feuerwehrautos ertönen aus allen Richtungen, ich bin jedoch zu weit weg, um Gabriel, Camille, Marion und all die anderen sehen zu können. Plötzlich hallt eine wuchtige Explosion wider, die Erde bebt und eine dicke, schwarze Rauchwolke hindert mich daran, klar zu sehen. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Aber schlägt Gabriels Herz noch?
Ich habe das Gefühl, bereits eine Ewigkeit hier zu stehen, bevor ich,
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