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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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Rannten aber schon weg, als ich es bemerkte, geht ja immer extrem schnell so was. Manchmal trifft’s auch uns Obdachlose, aber diesmal waren die dran. Wir teilen die Prügel unter uns auf, hehe. Bin dann vorsichtig näher rangeschlichen, mit Schlafen war ja nix mehr. Da war das Schlimmste aber schon vorbei. Zwei Typen waren arg zugerichtet, die lagen blutüberströmt herum, und eben der Stamenkovic.«
    »Hast du sonst noch jemanden erkannt?«
    »War ja keiner mehr da. Zwei, drei kamen mir entgegengerannt, die hatten wohl Glück gehabt.«
    Ich holte mein Handy hervor, startete einhändig den Internetbrowser und zeigte Richie das Foto von Said, das auf der Datingseite hochgeladen war. »War der dabei?«
    Richie rümpfte die Nase und beugte sich vor. »Ja, ja, genau!«, bestätigte er sofort.
    Mein Herz machte einen Sprung. War ich endlich auf die entscheidende Gemeinsamkeit in den drei Fällen gestoßen, nach der ich so verzweifelt gesucht hatte? Tobler war leider als mein Hauptverdächtiger ausgefallen, aber möglicherweise war diese nächtliche Parkgeschichte der zentrale Vorfall, der die Morde in einen Zusammenhang brachte.
    »Sieh ihn dir genau an!«
    »Nein, nein, das brauche ich nicht, der war dabei, hundert Pro. Wäre bei der Flucht fast in mich reingerannt, hehe.« Richie sah mich von der Seite an. »Soso, du kennst den? Ist ein Araber oder was?«
    Ich ging nicht darauf ein. Auf diesem Foto war Said zweifelsohne besser getroffen als auf demjenigen vom Fundort, welches ich Richie vor ein paar Tagen gezeigt hatte. »Bist du dir wirklich sicher?«
    Richie nickte ernsthaft. »Den würde ich jederzeit wiedererkennen!«
    Ich rollte verstohlen mit den Augen und griff erneut zum Smartphone. Einmal mehr fragte ich mich, wie ich all die Jahre ohne diese technische Errungenschaft hatte überleben können.
    Während ich meinen Käfer durch den Kreis 5 Richtung Langstrasse steuerte, gab ich Nils’ Namen bei Google ein. Sofort lieferte mir die Suchmaschine etliche Fotos. Eins davon vergrößerte ich und hielt es Richie unter die Nase.
    »Und der da? Hast du den auch schon mal gesehen?«
    Richie kniff die Augen zusammen, hustete etwas Schleim in ein hastig hervorgenesteltes und ziemlich fleckiges Taschentuch und schüttelte bestimmt den Kopf.
    »Nicht gut, hm?« Er sah mich unsicher an.
    »Könnte schlimmer sein.« Ich ließ ihn meine Enttäuschung nicht spüren und hielt vor einer Spelunke an, die bereits frühmorgens gut besucht war und in der die wenigsten Kunden Kaffee bestellten.
    »Du wolltest sicher hierhin.« Mit einer knappen Kopfbewegung wies ich auf das Lokal.
    »Ja, eh.« Richie rührte sich nicht und sah mich abwartend an, bis ich endlich begriff. Ich zückte einen Zwanziger und schob ihn rüber, worauf Richie strahlte, sich in einem militärisch gemeinten Gruß mit zwei Fingern gegen die Schläfe tippte und mir zum Abschied nochmals seine braunen Zahnstummel zeigte. Meine gute Tat für heute hatte ich jedenfalls vollbracht.
    Natürlich kam ich zu spät. Doch kaum hatte ich das eindrucksvolle Friedhofstor aus Sandstein passiert, erblickte ich durch die schneeschwer herabhängenden Äste der uralten Bäume auch schon die Menschenmenge, die sich um das offene Grab versammelt hatte. Ich hastete über den Kiesweg auf die schwarz gekleideten Gestalten zu. Die Boulevardpresse hatte sich natürlich geifernd auf den Fall gestürzt, was auch den beachtlichen Aufmarsch an Trauernden erklärte. Ich erkannte die beiden Moderatoren der Castingshow und immerhin ein Jurymitglied, weitere Halbprominenz versteckte sich hinter dunklen Sonnenbrillen. Nils hätte sich über sein Publikum sicherlich sehr gefreut. Wäre das hier nicht seine allerletzte Show gewesen.
    Energisch drängte ich mich durch eine Gruppe von Kathis Freunden, die nur umwillig zischelnd zur Seite rückten. Kathi selbst stand am Rand des Grabes und wandte sich stumm zu mir um, als ich sie behutsam am Arm berührte. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt er kannte. Doch dann tastete sie nach meiner Hand und drückte sie so fest, als wollte sie sie ausquetschen. Ihre Rundungen verbarg sie geschickt und stilvoll unter ihrem schwarzen Ledermantel, auf der Nase trug sie eine Jackie-Kennedy-Gedenkbrille.
    »Ging Nils hin und wieder in den Park?«, flüsterte ich ihr zu.
    Sie nahm die Brille ab und sah mich irritiert an. »Was?«
    »Du weißt schon. In den Park, um Sex zu haben.«
    »Muss das jetzt sein?«
    Die Frage war pietätlos, das war mir klar,

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