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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel
Autoren: S Mann
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einer spontanen Eingebung folgend, hinterher.
    Tobler drehte sich langsam um und sah mich an. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Und wenn Sie mich jetzt bitte meine Arbeit machen lassen würden …«
    Da war kein nervöses Blinzeln, kein ertapptes Zusammenzucken, keine Verlegenheit. Der Mann war durch und durch ein Profi.
    »Was war das denn?«
    José zündete sich eine Zigarette an und schwang sich auf meinen Schreibtisch, während ich wie hypnotisiert den aufglimmenden Tabak anstarrte, als er einen ersten, tiefen Zug nahm.
    Entschlossen schob ich mein aufkeimendes Verlangen beiseite und fasste kurz zusammen, was ich herausgefunden hatte. Doch José reagierte merkwürdig desinteressiert.
    »Du brichst nicht gerade in begeisterte Jubelschreie aus.«
    José grinste schwach. »Das mag alles ganz aufregend sein, doch ich kann das Material nicht verwenden. Das Thema ist äußerst heikel.«
    »Der Mann ist ein Serienkiller!«
    »Du gehst zu oft ins Kino. Hast du einen handfesten Beweis?«
    »Ich habe die Akte.«
    »Die ist erstens gestohlen, zweitens dringst du damit in Toblers Privatsphäre ein.«
    »Aber was, wenn er die Jungs tatsächlich auf dem Gewissen hat?«
    »Dann nützt dir die Akte auch nichts. Oder was wolltest du damit beweisen? Dass er mal schwul gewesen ist? Dass er seine Frau mit jungen Männern betrügt? Da wäre er wohl kaum der Einzige.«
    »Ich wollte ihn damit unter Druck setzen.«
    José blickte mich an, als fehlten mir ein paar besonders wertvolle Tassen im Schrank. »Superidee, echt! Damit hättest du dich strafbar gemacht. Nötigung, Artikel 181 im Strafgesetzbuch. Drei Jahre Knast, wenn du keinen milden Richter findest.«
    »Shit! Das wusste ich nicht!« Zerknirscht rollte ich mein Whiskyglas in den Händen und guckte auf die nächtlich leere Dienerstrasse hinaus. José hatte natürlich in allen Punkten recht, doch so schnell wollte ich nicht klein beigeben: »Aber alles spricht dafür, dass Tobler der Mörder ist! Ich hätte ihn mit den Unterlagen konfrontieren sollen. Einfach so, nicht nötigend, sondern ganz unverbindlich.«
    »Und wenn du damit falsch gelegen hättest? Dann hättest du schlagartig einen Riesenärger am Hals gehabt, das garantiere ich dir. Der hätte dich nicht nur wegen Nötigung, Einbruch und Diebstahl an die Wand genagelt, sondern wahrscheinlich auch für Dinge, von denen du noch nie im Leben gehört hast. Wenn du beweisen willst, dass Tobler ein Mörder ist, musst du einen anderen Weg finden.«
    Unwillig brummend nippte ich an meinem Whisky. »Und was ist mit diesem Stamenkovic? Ist da was dran an den Gerüchten?«
    José zögerte, dann beugte er sich zu mir herüber, obwohl sich sonst niemand in meinem Wohnzimmer befand. »Das bleibt aber unter uns: Vor etwa zwei Jahren im Sommer fand eine Prügelei in der Bäckeranlage statt, ziemlich üble Sache. Samstagabend, irgendwelche frustrierten Betrunkenen, die zum Abreagieren Schwule kloppen wollten. Ist ja nachts ein beliebter Treffpunkt. Zwei von denen hat’s heftig erwischt, die anderen haben sich davongemacht. Außer Stamenkovic. Der hat eine leichte Gehirnerschütterung und ein blaues Auge abgekriegt. Der Polizei gegenüber konnte er Angaben machen, die zur Verhaftung der drei Typen führte.«
    »Stamenkovic war also nachts im Park, um andere Männer zu treffen?«
    José nickte. »Der Manager hat dann die Presse gebeten, die Information vertraulich zu behandeln. Stamenkovic stand damals noch ziemlich am Anfang seiner Karriere. Und erstaunlicherweise haben sich auch alle daran gehalten.«
    »Alle?«
    »Na ja, war eh nicht die ganze Meute da. Wenn Schwule verprügelt werden, interessiert das kein Schwein. Wenn allerdings ein angehender Tennisstar darunter ist, vielleicht schon eher. Aber wir waren nur zu zweit vor Ort.« José drückte die Zigarette aus.
    Also war es doch mehr als ein Gerücht. Es konnte gut sein, dass der Mordversuch an Stamenkovic mit meinem Fall zusammenhing. Das Muster passte. Wäre er nicht rechtzeitig gefunden worden, wäre er jetzt tot, und es hätte wie bei den anderen nach Unfall oder Suizid ausgesehen.
    Doch noch während ich das Ganze durchdachte, wurde mir schlagartig klar, dass Tobler garantiert nichts damit zu tun haben konnte. Denn der Tennisspieler hatte angegeben, kurz nach sieben überfallen und mit Chloroform betäubt worden zu sein. Um die Zeit hatte ich ein Date mit dem Staatsanwalt gehabt. Ich war Toblers Alibi! Wäre ich nicht so erschöpft gewesen, ich hätte einen
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