Uhrwerk Venedig (German Edition)
schloss seinen Freund in die Arme. »Es ist schön, dich zu sehen. Du hast lange nichts mehr von dir hören lassen. Doch ich sehe, du lässt es dir immer noch gutgehen im Dienst des Dogen.« Ohne Neid betrachtete er die farbenprächtige Schaube mit dem Pelzbesatz und den weiten Ärmeln, ein Zeichen dafür, dass Leonardo Loredan seinen Leibarzt gut entlohnte.
Bei der Erwähnung des Dogen verfinsterte sich Bartolomeos Miene. »Ich fürchte, Loredan geht es nicht gut. Seit ihn im letzten Jahr Nachricht über die Liga von Cambrai erreicht hat, ist er in Sorge um die Stadt und bei schlechter Gesundheit.«
Jacopo nickte. Er verstand nicht viel von Politik, doch selbst ihm war diese beunruhigende Entwicklung nicht entgangen. Papst Julius II. hatte sich mit Kaiser Maximilian, Ludwig XII. von Frankreich und Ferdinand von Argon verbündet. Offiziell war das Ziel dieser Liga die Bekämpfung der Osmanen, doch alle vier Bündnispartner hatten Interessen, die denen Venedigs zuwiderliefen. Die Sorge des Dogen war durchaus nicht unbegründet.
»Es wird schlimmer, seit das Frühjahr näher rückt.« Der Arzt runzelte besorgt die Stirn, schüttelte den Kopf. »Ich bin mit meiner Weisheit am Ende, Jacopo.«
Für einen Moment fragte sich Jacopo, ob sein alter Freund wohl mehr um den Dogen oder um seine eigene Stellung besorgt war. Doch selbst wenn es so wäre, hätte er es ihm nicht übel genommen. Er konnte sich Bartolomeo nicht anders als in Wohlstand lebend vorstellen.
»Ich hoffe, du bist nicht hergekommen, um mich um Rat zu fragen. Sollte Venedig je einen aufziehbaren Dogen haben, so wäre ich sicher eine Hilfe, vorher leider nicht.«
Diese Worte entlockten Bartolomeo ein Schmunzeln. »In dieser Stadt scheint nichts unmöglich, sobald Zahnräder und Federn im Spiel sind. Doch ich bin tatsächlich gekommen, weil ich hoffe, dass du mir helfen kannst.« In einer ausladenden Geste deutete er auf die Regale an den Wänden, die über und über mit kleinen Figürchen und Dioramen gefüllt waren, alle davon in der Lage, sich zu bewegen, sobald man sie aufzog.
»Ich bin, wie gesagt, mit meiner Weisheit am Ende, doch ich glaube, die Krankheit zu kennen, welche Loredan quält. Es gibt kein Mittel der Medizin, um sie zu heilen, doch womöglich kannst du mit deiner Mechanik mehr erreichen.«
Jacopo runzelte die Stirn. »Welche Krankheit sollte man besser mit der Hilfe der Mechanik als der der Medizin heilen können?«
»Gallensteine.«
Die Erklärung, die darauf folgte, bedurfte einiger Zeit. Jacopo lauschte mit Unbehagen der Beschreibung menschlicher Anatomie, über die Bartolomeo größere Kenntnis besaß als irgendein anderer Arzt in Italien. Er hatte seine Kunst im Morgenland erlernt, und man munkelte, der Doge lasse ihn Untersuchungen an den Leichnamen von Verbrechern vornehmen.
Als Bartolomeo zu erklären begann, wie die Steine den Abfluss der Galle blockieren konnten, so dass die Gallenblase immer weiter anschwoll, glaubte Jacopo, die Schmerzen selbst zu spüren, die Leonardo Loredan durchleben musste. Er musste sich für einen Moment entschuldigen, verschwand unter dem Vorwand, ihnen beiden einen Becher Wein holen zu wollen, in seiner kleinen Vorratskammer. Dort atmete er erst einmal tief durch. Zahnräder und Federn waren ihm doch um einiges lieber.
Jacopo hatte seinem Freund den Schemel überlassen und lehnte sich, als er zurückkehrte, einfach an eine Ecke der Werkbank. Nach einigen Schlucken Wein fühlte er sich in der Lage, das Gespräch wieder aufzunehmen. »Du suchst also nach einem Weg, diese Gallensteine zu entfernen.«
Bartolomeo nickte. »Der Doge leidet bereits unter hohem Fieber und klagt über starke Schmerzen. Entweder es gelingt mir, die Steine zu entfernen, oder ein Krieg im Frühjahr wird seine geringste Sorge sein.«
Nachdenklich starrte Jacopo in seinen Becher. Wie kam man an etwas heran, das sich im Inneren eines Menschen befand, ohne ihn aufzuschneiden?
Der Arzt betrachtete derweil die goldenen Vögel auf der Werkbank, machte eine Bewegung, als wolle er die metallenen Wesen berühren, zog die Hand dann aber doch wieder zurück. »Könntest du etwas bauen, das klein genug ist, damit der Doge es schlucken kann, aber in der Lage, die Steine zu zerstören?«
»Das wäre sehr klein.« Auch Jacopo ließ nun den Blick über seine fertiggestellten Arbeiten gleiten. Seine Werke erfreuten die Adligen der Stadt, dienten als ausgefallener Schmuck, als Zierrat oder zur Unterhaltung. Er war in der ganzen Stadt
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