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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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Berliner, meine Mutter war Thüringerin. Mein Urgroßvater war von 1911 bis 1937 Burgverwalter auf der Burg Hohenzollern. Und der Onkel meiner Mutter hatte dort die Burgschenke.
    Oh Heidenei!
    Meinen Vater haben sie im Ersten Weltkrieg zum Opa auf die Burg geschickt – da gab es genug zu essen. Später ist er Reichswehrsoldat in Konstanz geworden. Und eines Tages, als mein Onkel krank wurde, wurde meine Mutter, die Krankenschwester an der Charité war, gebeten, den Onkel im Sommer gesund zu pflegen. Sie hatte dort ein Turmzimmer. Und warf eines Tages den Deckel einer Zahnpastatube aus dem Fenster. Da schrie unten einer: »Autsch!«. Der wurde dann mein Vater.
(Beide lachen.)
Deswegen bin ich in Konstanz geboren. Später wurde er nach Heilbronn versetzt, dann nach Schwäbisch Gmünd, und dort ist er hängen geblieben. 1937.
    Also kamen Sie als Siebenjähriger nach Schwäbisch Gmünd?
    In die Horst-Wessel-Schule.
    Und dann ans Parler-Gymnasium?
    Die hieß damals noch Hindenburg-Oberschule. »Parler« dann nach dem Krieg. Da wurde auch die Horst-Wessel-Schule umbenannt. Ich habe in Schwäbisch Gmünd gelebt bis ich 19 war. Also zwölf Jahre. Ich habe dort auf einem kleinen Hügel Skifahren gelernt. Später dann auf dem »Kalten Feld«. Und wenn ich an Heimat denke, denke ich an Gmünd. An das Münster, an die Drei Kaiserberge Rechberg, Hohenstaufen und Stuifen. Oder an den Rosenstein. Dann habe ich drei Jahre im Ausland studiert. Teils in Schweden, teils in Amerika. Und dann kam ich zurück und war zwei Jahre Lokalredakteur bei der »Rems-Zeitung«. Bei der Verlegerin Rosa Sigg.
    Es ist ja heute absolut nicht mehr vorstellbar, dass ein »Rems-Zeitung«-Journalist innerhalb kürzester Zeit bei der »Zeit« landet. Das waren natürlich die 1950er-Jahre. Über was haben Sie bei der »Rems-Zeitung« geschrieben?
    Ich habe über alles geschrieben. Ich ging zur Hauptversammlung des Kaninchenzüchter-Vereins. Ich berichtete über die Jahrestagung der Dachdeckerinnung. Und wehe, es war ein Fehler in meinem Bericht. Dann stand der Herr Böhnlein mit noch zwei Leuten und Dachlatten im Vorzimmer. Der Innungsmeister.
    Also die wirklich großen Themen?
    Ich habe auch Gemeinderatsberichte geschrieben. Da habe ich gelernt, einen Haushalt zu lesen. Der Bundeshaushalt ist genauso gegliedert wie ein Gemeindehaushalt. Die Systematik ist dieselbe. Ich hab da viel gelernt. Und ich habe als Lokalredakteur einen Oberbürgermeister gestürzt. Der hieß Hermann Kah. In einer Lokalspitze bin ich auf seine Behauptung eingegangen, er müsse wiedergewählt werden, weil er sonst am Hungertuch nagen würde. Ich habe schlicht veröffentlicht, was er an Pension zu erwarten hatte. Und so wurde er abgewählt.
    Sie waren danach aber nie mehr Enthüllungsjournalist – sondern Meinungsjournalist. Das gilt als Königsklasse, wenn man so will. Aber ist es nicht viel schwieriger, im Sumpf eines Skandals herumzuwühlen und die Wahrheit herauszufinden?
    Ich kann da nur sagen, dass die eigene Meinung herauszufinden auch ein gewisses Maß an Investigation voraussetzt. Meinung sondert man ja nicht einfach so ab. Das ist ja kein Körpersekret. Sondern dahinter steckt ja auch intellektuelle Anstrengung. Wir haben bei der »Zeit« immer versucht, die Fakten, auf die wir unsere Meinungen gründeten, sehr penibel heranzuschaffen. Ich habe auch immer gesagt: Ein Meinungsartikel muss die Fakten überzeugend darlegen, die den Leser am Schluss dazu bringen, zu sagen: »Aha, dem kann ich zustimmen« oder: »Nein, der ist ja völlig daneben.« Die Gräfin Dönhoff 1 hat immer gesagt: »Wenn ich einen Leitartikel schreibe, dann beschäftige ich mich ja nicht mit der Differenz zwischen null und hundert. Sondern mit dem feinen Unterschied zwischen 49 und 51 …«
    »Waagscheißerle« heißt das auf Schwäbisch. Ist die »Zeit« das journalistische »Waagscheißerle« in Deutschland?
    Ich weiß nicht, ob irgendeine Zeitung mit bloßer Meinungs»Scheißerei« noch das Zünglein an der Waage darstellen kann. Wir sind sicherlich ein Blatt mit vielen Wechselwählern. Ich habe auch in meinem Leben alles schon gewählt – bis auf die Linke. Man guckt sich die Sachprobleme an und entscheidet jedes Mal aufs Neue. Und sagt sich im Zweifelsfall: »Was goht mi mai saudomms G’schwätz von geschtern o?« 2
(Beide lachen.)
    Sie haben in Tübingen studiert. Ich auch. Ich erinnere mich an denkwürdige Vorlesungen von Professor Eschenburg. Er war Ihr Türöffner bei der »Zeit«?
    Dass ich

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