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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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auch an mir hängen geblieben. Wahrscheinlich nicht über meine Mutter, die eine Pfarrerstochter war – Tochter eines liberalen Pfarrers, der sich mit den Pietisten immer gestritten hat! Sondern über meinen Vater, der Sohn eines Bauernbuben war, von der Alb. Der im Seminar war in Urach und Schöntal. Und der mir gesagt hat: »Dort haben sie mir mein Christentum ausgetrieben!« Aber die Sparsamkeit und die Zuverlässigkeit – das hatte auch er verinnerlicht.
    Das ist der säkularisierte Pietismus: Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Ordentlichkeit.
    Und die Zuverlässigkeit auch.
    Ich habe noch in Neckarrems als Junge erlebt, wie eine Schwätzbas 2 zu einer anderen sagte: »Haschd du die faul’ Sau g’säh’? Die liegt auf dem Sofa und liest Romane.« Auf dem Sofa zu liegen und zu lesen – das war der Gipfel der Verworfenheit. Diese Kraft, die der Pietismus damals hatte, als Leitkultur, das war schon ungewöhnlich.
    Bei uns zu Hause war es meine Mutter, die Pfarrerstochter, die mit uns Karten gespielt hat. Und mein Vater, der eigentlich aus der Kirche austreten wollte und es seiner Frau zuliebe nicht getan hat – der hat uns das Kartenspielen verboten. Die Geschichte nimmt oft seltsame Wege.
    Pfarrfrauen waren ja sehr verschrien.
    Meine Mutter war ja keine Pfarrfrau, sondern meine Großmutter. Aber auch sie war bereits eine emanzipierte Frau, die ihren Mann in die Sakristei einschloss, wenn er nicht »gut tat« – und damit die Gemeinde auf den Herrn Pfarrer warten ließ.
    Was war mal und was ist heute schwäbisch? Es beginnt ja schon mit dem Streit hier, um Ihre Heimatstadt. Die heißt ja »Schwäbisch Hall« – aber das erst seit 1934.
    Das ist nur halb richtig. Richtig ist, dass schon im Mittelalter vom »schwäbischen Hall« die Rede war – und das, obwohl es damals eine fränkische Stadt war. Hall lag damals noch am Nordrand des Staufischen Herzogtums. Und um es gegenüber dem Tiroler Hall abzugrenzen, hat man es das »schwäbische Hall« genannt. Aber es war nicht die offizielle Bezeichnung. Die offizielle Bezeichnung, da haben Sie recht, haben erst die Nazis festgelegt.
    Ist Hall nun fränkisch oder schwäbisch?
    Hall ist von Hause aus fränkisch. Fränkisch-hohenlohisch. Heute aber reden die meisten Menschen in der Stadt ein abgewetztes Schwäbisch. Als ich ein Bub war, gab es in Hall drei Sprachen: Die Sprache der anständigen, vernünftigen Leute war das Schwäbische. Daneben gab es noch eine subproletarische Sprache – das war das Hohenlohische. Und dann gab es noch eine Sprache für verrückte Exoten – das war das Hochdeutsche. Wir haben in der Schule damals die Mitschüler, die hochdeutsch geredet haben, schlimmer behandelt als heute die Türkenkinder behandelt werden.
    Diskriminierung des Hochdeutschen?
    Das war wirklich Diskriminierung – und das im Dritten Reich!
    Aus Unsicherheit, weil man das Hochdeutsche selbst nicht beherrschte?
    Das fanden wir affektiert. Es war einfach fremd. So redete man nicht! Wer hat denn hochdeutsch gesprochen im Jahr 1935? Das waren die Kinder der Offiziere vom Militärflughafen. Irgendwelche Leute, die von Berlin eingeflogen worden waren. Die waren fremd für uns.
    Die Intoleranz hat eine große Tradition? In der Reformation hat der Brenz ja hier gepredigt. Spürt man heute noch etwas davon?
    Der Brenz ist kein gutes Beispiel für Intoleranz! Was man von Brenz noch spürt ist, dass er politisch toleranter war als Luther. Brenz war ein außerordentlich kluger Mensch. Im Bauernkrieg hat er sich viel klüger und humaner verhalten als Luther. Der Brenz hat hier in der Michaelskirche reformatorisch gepredigt. Und in der Johanniterkirche haben die Johanniter ihre Messe gelesen. Und das hat den Brenz nicht gestört.
    Das lief nebeneinanderher?
    Hall hat eine relativ große Tradition der Toleranz.
    Und woher kommt diese Toleranz bei Brenz – die Sie als junger Bub den hochdeutsch Sprechenden gegenüber nicht gehabt haben?
    Es hatte einfach mit Fremdheit zu tun. Ich schäme mich heute noch.
    Hat man denn in Ihrer Jugend einfach schwäbisch geredet, weil man nicht anders konnte?
    Jedenfalls bei uns war es so.
    Aber jetzt sagen Sie mir: Wie sind Sie in die Politik geraten?
    Das hat nun mit dem Schwäbischen überhaupt nichts zu tun.
    Aber vielleicht mit dem religiösen Hintergrund?
    Auch nicht. Ich gehöre ja noch zu denen, die im Krieg waren. Ab 1943 war ich Flakhelfer, dann kam ich zum Reichsarbeitsdienst – und im Juni 1944 zu den Panzerjägern. Im Oktober noch wurde

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