Ulysses Moore - 02 - Die Kammer der Pharaonen
und Jason anstelle von Passierscheinen zwei Skarabäen aus schwarzem Stein. Mit ihnen würden sich Maruks Freunde in der gesamten Sammlung frei bewegen können.
»Wir begleiten euch noch ein kurzes Stück. Pepi und ich kennen Abkürzungen, von denen viele nicht einmal etwas ahnen«, verkündete Menkaure, dessen Hutfeder die Decke streifte. »Hier entlang, verehrte Gäste.«
In dem Korridor herrschte ein gedämpftes Licht, das mittels eines genialen Systems aus Bronzespiegeln hineingeleitet wurde. In die ockergelben Wände waren unterschiedlich groÃe Nischen eingelassen, die Papierrollen, Holztäfelchen und verstaubte Götterfiguren enthielten.
Rick bemerkte, dass jede Ãffnung mit einem Symbol, einer Zahl oder beidem markiert war und nahm an, dass die Kuratoren anhand dieser Zeichen den Ãberblick behielten.
Bald betraten sie einen runden Raum mit einem Loch in der Decke, durch das man den blauen Himmel sehen konnte, und folgten dem einzigen Gang, der von diesem Lichthof abging. Nachdem sie zwei weitere Korridore gekreuzt hatten, die in entgegengesetzte Richtungen führten, ging der Weg steil nach oben.
»Worin genau besteht eure Arbeit eigentlich?«, brach Rick plötzlich das Schweigen. »Kümmert ihr euch um die Sicherheit?«, fragte er Pepi.
»Regel Nummer siebzehn: Die Sicherheit ist Sache der Wächter«, antwortete Menkaure an Pepis Stelle. »Unsere Aufgabe ist es, uns zu erinnern, was in der Sammlung aufbewahrt wird.« Der Kurator machte eine lässige Handbewegung zu den Nischen zu beiden Seiten des Gangs. »Jede dieser Nischen enthält etwas, doch nur wir wissen, was es ist und wie man es findet. Unser Wissen geben wir nur an unsere Lehrlinge weiter.«
»Mündlich?«, fragte Rick.
»Natürlich â¦Â«, erwiderte Menkaure. »Diese ganze Schreiberei stumpft das Gedächtnis ab.«
Ungläubig kratzte sich Rick am Kopf. »Aber das sind doch bestimmt Hunderttausende von Nischen! Kennt wirklich jeder von euch jede einzelne davon?«
»Oh nein, natürlich nicht! Das wäre ja unmöglich«, antwortete Menkaure. »Jedem Kurator wird ein einziges Gebäude und darin eine bestimmte Anzahl von Gängen anvertraut und er verwaltet nur jene Nischen, die ihm unterstehen.«
»Warum? Wie groà ist denn das hier alles?«, wollte Jason wissen.
»Regel Nummer zwei: Die Sammlung ist in zweiundzwanzig Gebäuden untergebracht. Jedes Gebäude hat zweiundzwanzig Säle. Jeder Saal hat zweiundzwanzig Gänge. Und jeder Gang hat â¦Â«
»Zweiundzwanzig Nischen?«, unterbrach ihn Rick.
»Wie um alles in der Welt kommst du darauf?«, fragte Menkaure und lachte verächtlich. »Er hat zweiundfünfzig Nischen. Oder einhundertundvier. Oder einhundertundsechsundfünfzig. «
»Aha«, machte Jason und sah Rick mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Regel Nummer zwei bezieht sich selbstverständlich nur auf die obere Sammlung«, fügte Menkaure hinzu. »Man darf nicht die unterirdischen Gänge vergessen. Es sind noch mehr, viel, viel mehr.« Plötzlich blieb er stehen. »Hier trennen sich unsere Wege, denn wir müssen zu unserer anspruchsvollen Arbeit zurückkehren«, verkündete der Kurator. »Ihr, ehrenwerte Gäste, habt nun beinahe euer Ziel erreicht. Um zu den Räumen des Obersten Schreibers zu gelangen, müsst ihr jenen rechten Gang einschlagen und darin immer geradeaus gehen â wie die junge Tochter sicher weiÃ.«
Rick, Jason und Maruk gingen auf den Korridor zu und wurden von den beiden Kuratoren mit den Worten verabschiedet: »Denkt immer an Regel Nummer neun: Berührt den Inhalt der Nischen nicht, wenn kein Kurator dabei ist.«
»Einverstanden«, erwiderte das ägyptische Mädchen lächelnd.
»Ach ja, und da wäre noch Regel Nummer neunzehn: Wenn die Hörner der Wächter erklingen, müsst ihr das Haus des Lebens sofort verlassen.«
»Ich kann mir vorstellen, dass es ziemlich leicht ist, sich in all diesen Gängen und Nischen zu verirren«, meinte Jason, als sie auf die Gemächer des Obersten Schreibers zugingen.
»Genau«, bestätigte Maruk. »Genau deshalb sind die Kuratoren da: damit sich niemand verirrt.«
»Gibt es denn jemanden, der über die gesamte Sammlung Bescheid wei�«
»Vielleicht mein Vater. Aber er kennt auch nicht alles. Es gibt Gänge, die seit Jahren kein
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