Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)
»Seltsam, dass die Einzige, die nicht versetzt wurde, in eine andere Stadt ging, um Lehrerin zu werden«, sagte Ursus Marriet zu sich selbst.
Rechts von Peter war ein stämmiger, rundlicher Bursche zu sehen: der junge Vulcano. Anstatt in die Kamera schaute er auf die ineinander verflochtenen Finger von Peter und Klytämnestra.
Bei dem nächsten Jungen handelte es sich um Phoenix, der damals noch gar nicht daran dachte, Pater zu werden. Leonard Minaxo hatte einen Arm um ihn gelegt.
»Und hier ist der geheimnisvolle Freund!«, rief der Direktor schließlich erfreut.
Denn auch auf diesem Foto war auf Leonards Schulter eine weitere Hand zu erkennen, während der dazugehörige Arm nicht mehr mit auf dem Bild war. Noch mit drauf war dagegen die Hälfte des Gesichts und so viel vom Körper, dass man erahnen konnte, dass der Junge keine Schuluniform trug.
Ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis, beglückwünschte sich der Schuldirektor. Er legte die beiden Fotos nebeneinander.
Dann drehte er das Klassenfoto um. Es war von dreizehn Kindern unterschrieben worden: von einem mehr, als Schüler in der Klasse gewesen waren.
»Nestor?«, fragte er sich, als er entdeckt hatte, von wem die überzählige Unterschrift stammte. »Was hat denn Nestor auf diesem Bild zu suchen?«
Jason schaute auf ein rechteckiges Stück Tuffstein, das so groß war wie eine Servierplatte. Mit einem Schlüssel hatte Balthasar den Weg eingeritzt, der sie zu Bruder Falenas Botanischem Garten bringen würde.
Die Zwillinge und ihr Begleiter kamen an einem Säulengang vorbei. Sie kletterten über eine Mauer und gelangten in einen Garten, in dem große Bäume mit knorrigen, gewundenen Stämmen und kleinen Blättern wuchsen: Es waren jahrhundertealte Olivenbäume.
»Im Olivenhain links halten. Vierte Tür«, las Jason und ließ den Tuffstein danach achtlos fallen. »Endlich sind wir da!«
Das dumpfe Geräusch, das der Stein beim Aufkommen auf dem Boden machte, löste bei Dagobert einen Fluchtreflex aus und er verschwand sofort im Efeu.
»Mach das nie wieder, verstanden?«, schimpfte er, nachdem er gemerkt hatte, dass ringsherum alles ruhig war.
Sie erreichten das Gebäude am anderen Ende des Olivenhains. Durch die vierte Tür gelangten sie in einen Innenhof, der wiederum zu einem von Kerzen erleuchteten Raum führte.
»Bruder Falena?«, fragte Dagobert beim Eintreten. »Sind Sie da?«
»Kommt nur, kommt rein«, erwiderte eine schwache Stimme.
Jason trat zusammen mit Dagobert ein, während Julia mit der Fackel, die sie von Schwarzes Schloss bekommen hatten, draußen im Garten blieb.
»Geh du mit ihm. Ich warte hier auf euch«, sagte sie zu ihrem Bruder. Sie war immer noch misstrauisch.
Julia setzte sich auf den Boden, da hörte sie plötzlich ein Geräusch.
»Pssst!«
Julia hob die Fackel und leuchtete die Umgebung ab, konnte aber niemanden entdecken.
»Pssst!«, ertönte die Stimme wieder.
Julia stand auf. »Ist da jemand?«, fragte sie in den dunklen Gang hinein.
»Hier!«, antwortete die Stimme.
»Wo hier?«
»Unten!«
Verwirrt blieb Julia stehen. »Ich kann dich nicht sehen«, flüsterte sie.
»Ich bin unter dem Deckel.«
Nur wenige Schritte von Julia entfernt befand sich der Abfluss für die Regenrinnen. Sie leuchtete mit der Fackel in die Richtung und schrie vor Schreck auf, als plötzlich zwei Augen in der Dunkelheit aufblitzten.
Vorsichtig trat Julia näher. »Wer bist du?«, fragte sie und kniete sich hin.
»Ich heiße Rigobert, ich bin ein Abflussdieb. Ich weiß nicht, was Dagobert euch erzählt hat«, sagte er und steckte mahnend einen Zeigefinger durch das Gitter. »Aber ihr solltet ihm nicht trauen: Er ist ein mieser kleiner Lügner und Betrüger.«
»Und warum sollte ich dir trauen?«, wollte Julia wissen.
»Weil ich die Wahrheit sage!«, erwiderte Rigobert. Dann verstummte er plötzlich und lauschte. »Sie kommen!«, zischte er einen Augenblick später.
Julia drehte sich um: Dagobert und Jason verließen gerade Bruder Falenas Haus. Und sie waren nicht allein. Als Julia wieder zu dem Deckel hinunterschaute, war der Abflussdieb verschwunden.
Julia ging Jason und Dagobert entgegen, in deren Gesellschaft sich eine hochgewachsene junge Frau befand, die sich als Afide vorstellte, Bruder Falenas Assistentin.
»Um diese Zeit schläft mein Herr schon tief und fest«, sagte sie. »Aber ich glaube, dass ich die Person kenne, die ihr sucht.«
»Klasse!«, freute sich Jason und lächelte seine Zwillingsschwester
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