Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)
aussprach, schien Black noch etwas hinzufügen zu wollen, doch ein bedeutungsvoller Blick von Nestor ließ ihn innehalten.
»Danke, Mister Vulcano«, sagte Rick etwas verlegen. »Ich … ich fürchte, ich muss jetzt nach Hause gehen und mich bei meiner Mutter melden. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen macht.« Er seufzte. »Aber ich möchte wissen, wie die Geschichte weiterging, Mister Ulysses.«
Nestor zog unwillkürlich den Kopf ein, während Black ausrief: »Ulysses? Na, ausgezeichnet!«
»Wir müssen uns aufteilen«, entschied Leonard. »Ich gehe zu der Tür auf dem Zug. Wenn ich mich nicht irre, befindet er sich noch immer unter dem Mausoleum.«
Rick nickte.
»Vielleicht nehme ich Fred mit«, meinte der Leuchtturmwärter. »Dann ist er euch aus dem Weg. Black, Nestor und Zan-Zan überwachen die Tür zur Villa Argo, während du, Rick …«
In diesem Augenblick klingelte Nestors Telefon.
»Wer kann das um diese Zeit bloß sein?«, fragte sich der Gärtner laut, bevor er abhob. »Hallo? Ja, ich bin’s. Ach, guten Abend, Phoenix.«
Die anderen sahen einander erstaunt an.
Was mochte Pater Phoenix um diese Zeit von Nestor wollen?
»Nein, Rick ist hier bei mir. Es geht ihm ausgezeichnet. Nein, kein Problem, überhaupt nicht. Ach so! … Nein, ich glaube nicht …« Nestor deckte den Hörer mit der Hand ab und fragte Rick, wann er das letzte Mal etwas von seiner Mutter gehört hatte.
»Ich habe versucht, sie anzurufen«, erwiderte er. »Aber sie ist nicht ans Telefon gegangen.«
»Phoenix?«, sagte Nestor in den Hörer. »Sie haben sich offenbar verpasst. Oje, na klar, wir kommen sofort.« Er hängte rasch auf und erklärte Rick: »Pater Phoenix ist bei euch zu Hause, weil alle Lichter brannten und die Haustür offen stand. Er konnte deine Mutter aber nirgends finden.«
»Oh«, sagte Rick.
Nestor holte seine Jacke von der Garderobe, öffnete eine Schublade, nahm einen Schlüsselbund heraus und ging zur Tür. »Machen wir es so«, sagte er. »Black, du und deine Assistentin, ihr zwei bewacht die Tür in der Villa Argo. Rick und ich gehen kurz hinunter in den Ort.«
Rick folgte Nestor zur Garage. Der Gärtner stemmte das Garagentor hoch und steuerte auf das alte Motorrad mit dem Beiwagen zu.
Drei triefnasse Gestalten hielten sich an der untersten Stufe einer in die Steinwand gehauenen Treppe fest. Nacheinander stiegen sie aus dem Wasser. Als Erster kam Rigobert, dann folgte Julia, die Oblivia dabei half, den stinkenden unterirdischen See zu verlassen. Schweigend bogen sie in einen schmalen Gang ein, der an der Festungsmauer endete. Rigobert deutete auf eine zweite Treppe, die zu einem Gitter führte, durch das man hinausschauen konnte. Allein schon der Anblick des Nachthimmels und der Sterne gab Julia das Gefühl, ihre Freiheit wiedererlangt zu haben.
»Bis zu dem Kreuzgang ist es nicht mehr weit«, erklärte Rigobert.
In der kühlen Luft fingen sie sofort an zu frieren. Dennoch lachten alle drei erst einmal vor Erleichterung auf. Das Gefängnis zeichnete sich dunkel vor dem Nachthimmel ab. Es würde sicher nicht leicht werden, sich die Schlüssel zurückzuholen und Manfred zu befreien.
»Ich finde, wir sollten jetzt nach Kilmore Cove zurückkehren «, schlug Oblivia vor. »Die Schlüssel können warten. Und Manfred kann meinetwegen da drin vergammeln.«
»Sie haben nicht nur die Schlüssel, sondern auch mein Notizbuch«, sagte Julia.
»Auf jeden Fall sollten wir nicht hier herumstehen«, meinte Oblivia. »Und bevor wir irgendetwas unternehmen, müssen wir uns erst mal waschen. So wie wir stinken, kann man uns kilometerweit riechen.«
»Das stimmt«, gab Julia zu.
Rigobert schmiegte sich eng an die Wand und schlich ein paar Schritte weiter. »Hier entlang«, flüsterte er.
Julia ging hinter Oblivia und hatte so die Gelegenheit, sich ihre Gegnerin im Kampf um die Schlüssel in aller Ruhe anzusehen. So nass und schmutzig wirkte sie gar nicht mehr wie eine gefährliche, skrupellose Unternehmerin, sondern nur noch wie eine ziemlich überdrehte und furchtbar dünne Frau.
Dann dachte Julia an ihren Bruder. Sie hoffte so sehr, dass er im Kreuzgang auf sie wartete oder ihr zumindest eine Nachricht hinterlassen hatte. Was die Schlüssel und das Notizbuch betraf … »Eins nach dem anderen«, murmelte sie.
»Was hast du gesagt, Mäuschen?«, fragte Oblivia, die sich umgedreht hatte.
»Kann ich Sie etwas fragen?« Julia hatte beschlossen, so zu tun, als hätte sie das »Mäuschen« nicht
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