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Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten

Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten

Titel: Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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hatte.
    Anita war todmüde. Ihr fielen ständig die Augen zu. Am liebsten hätte sie sich irgendwo hingelegt, um endlich zu schlafen. Gleichzeitig aber fand sie den Raum beunruhigend, ohne sagen zu können, warum.
    »Wollen wir weitergehen?«, fragte der Riese.
    Jason stimmte ihm zu und die drei verließen die Schmiede wieder.
    Der nächste Raum musste die Schreinerei gewesen sein, in der die Türpfosten und Türpaneele hergestellt wurden. Der Raum war riesig und vollkommen leer, wenn man von den zerbrochenen Brettern und anderen Holzstücken absah, die zusammen mit einzelnen Werkzeugen am Boden herumlagen.
    Hier herrschte eine beunruhigende Stille. Eine Stille, die eigenartigerweise in den Ohren zu dröhnen schien.
    »Was ist es denn eigentlich wirklich, dieses Labyrinth?«, fragte Jason den Riesen, als sie zu den Zimmern des Schreckens weitergingen.
    »Ein Ort ohne Anfang und Ende«, antwortete Zephir. »So endlos wie die Erinnerung der Welt.«
    Der Riese hatte recht.
    Die Erinnerung.
    Die Erinnerung war kein Ort, aber sie war der Stoff, dem die erträumten Orte entsprangen und von dem sie sich nährten, um außerhalb der Zeit weiter bestehen zu können.
    Mit seinen geraden Gängen und den plötzlichen Wendungen, die diese nahmen, mit seinen Tausenden von Räumen, von denen jeder anders als die anderen aussah, war das Labyrinth so komplex wie der menschliche Geist. Es war golden und staubig, mal hell und dann wieder dunkel. Es war von unermesslich hohen und langen Mauern umgeben und besaß Türen, über die man an eine unvorstellbare Zahl von erträumten Orten gelangte.
    Es wurde von Ideen bewohnt, die sich vom Wind da vontragen ließen.
    Es lag unter der Erde und war durch unendlich viele Verzweigungen mit der Oberfläche verbunden.
    Es besaß einen finsteren Teil, in dem jegliches eindringende Licht erstarb und zu grauem Staub wurde.
    Und zu diesem Teil waren sie unterwegs: zum dunklen Teil der Erinnerung der Welt. Dorthin, wo es nur Ruinen gab und Dinge, die es nicht geben durfte. Dinge, über die niemand mehr sprechen wollte.
    Die Stille wurde so beherrschend, dass sie, ohne es zu merken, langsamer gingen, so als wollten sie jedes Geräusch vermeiden.
    Die Luft wurde dicker, schwerer und stickiger, und roch auf einmal nach Wildnis und nach Tier.
    Das goldene Licht der Hauptgänge hatte sich in einen grauen Dunst verwandelt, der dichter wurde, je weiter sie gingen.DieUmrisse verschwammen, und sie hatten Mühe zu erkennen, wozu die Zimmer gedient haben mochten, durch die sie jetzt kamen: ein Schlafsaal, mehrere Küchenräume und Speisekammern. Wohin sie auch kamen, sahen sie nur kaputte Möbel und herumliegende Gegenstände. Überreste, die keiner mehr weggeräumt hatte.
    Der in der Luft schwebende graue Staub reizte Nase und Augen und blieb in den Haaren hängen. Als Anita zu husten begann, reichte Jason ihr ein Taschentuch, und sie hielt es sich vor Mund und Nase.
    Sie kletterten über einen großen Schutthaufen und standen in einem Raum mit zerstörter Decke. Ihre Reste spannten sich an den Wänden entlang, doch der ganze mittlere Teil, der einst wohl eine Kuppel gebildet hatte, war eingestürzt.
    Keiner der drei sagte etwas. Im Grunde gab es auch nichts zu sagen. Sie beeilten sich, weiterzukommen und möglichst schnell den Raum zu verlassen. Jason ging voraus und erkletterte den nächsten Hügel aus zerbröckeltem Mauerwerk als Erster.
    Und dann sah er ihn.
    Der Anblick nahm ihm den Atem.
    Nach einer Schrecksekunde drehte er sich um, griff nach Anitas Hand und zog das Mädchen zu sich her. Er zeigte ihr, was er gesehen hatte.
    Ungefähr in der Mitte des großen Saals mit der eingestürzten Decke war ein kleiner Heißluftballon.
    Er schwebte in einigen Metern Höhe über dem Boden und war über ein dickes, schwarz ummanteltes Tau an den Trümmern verankert. Er war dunkelbraun von einem Netz aus Kupferseilen eingefasst. Der unten daran hängende Weidenkorb war mit geschmiedeten Metallranken verziert.
    »Was ist das?«, fragte Anita, als sie ihn sah.
    Jason hatte natürlich sofort erkannt, aus wessen Werkstatt das Fluggerät stammte. Da war kein Irrtum möglich.
    Peter Dedalus.
    »Das ist der Heißluftballon, mit dem Penelope hierhergekommen ist«, sagte er.
    »Aber wie denn?«
    Jason sah nach oben, zu dem Loch über ihren Köpfen hinauf. Dort schien es einen Weg nach draußen zu geben. Ein Weg, der direkt nach oben führte.
    »Aber warum ist der Heißluftballon immer noch hier?«, fragte Anita verwirrt.
    »Das

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