Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten
ist das Netteste, das du jemals zu mir gesagt hast«, flüsterte sie.
Wieder klingelte das Glöckchen .
»O là là, ihr jungen Leute! Etwas mehr Anstand, wenn ich bitten darf!«
Jason stand auf und Anita tat es ihm nach.
»Entschuldigen Sie bitte! Entschuldigen Sie!«, sagte Jason laut genug, dass ihn alle hören konnten. »Lassen Sie sich bitte nicht stören! Wir sind gleich weg! Mister Qwerty! Herr Präsident! Liebe Kollegen! Bis zum nächs ten Mal!« Und leiser, zu Anita gewandt: »Jetzt oder nie!«
Mit hochroten Köpfen liefen sie schnell die Stufen des Amphitheaters hinunter.
»Rechts oder links?«, fragte Anita, als sie unten ange kommen waren.
»Nach rechts«, entschied Jason.
Qwertys Glöckchen klingelte immer lauter und schril ler. Unter den Anwesenden breitete sich eine gewisse Missstimmung aus. Doch die beiden Vertreter von Kil more Cove liefen einfach weiter. Auch dann noch, als sie merkten, dass ein Mann hinter ihnen herlief.
»Zephir!«, sagte Jason erfreut, als er sich nach ihm umgedreht hatte.
»Lasset uns fliehen und uns der Langeweile entziehen. Die Freude könnten wir mehren, indem wir niemals wie derkehren! Oh, Pardon! Wenn ich nicht aufpasse, fallen mir doch wieder nur Reime ein.«
»Das macht doch nichts«, beruhigte Jason ihn. »Sag lie ber, ob du etwas herausfinden konntest.«
»Ich habe viele Fragen gestellt, mein Freund.«
»Gut. Denn jetzt haben wir Antworten wirklich nötig.« Sie gingen sehr schnell. Unterwegs sagte Jason dem Riesen, wohin er wollte.
Zephir reagierte mit einem besorgten Blick. »Rui nen?«
»Genau, Ruinen. Du hast mir vorhin von den Zim mern des Schreckens erzählt und dass es darin zerstörte Dinge gibt.«
»Es ist nicht klug, dorthin zu gehen. Darf ich wenigs tens erfahren, was du da willst?«
»Dort müsste etwas sein, das ich suche.«
Zephir schüttelte den Kopf. »Ich zweifle sehr daran, dass du in den Zimmern des Schreckens überhaupt irgendetwas finden würdest. Dort gibt es nichts, nichts außer einem seltsamen Geräusch, einem ständigen Krat zen.«
»Das waren die Räume der Erbauer der Türen, nicht wahr?«, hakte Jason nach und versuchte, Zephir in die Augen zu schauen, doch der wich seinem Blick aus. »Dort bauten sie ihre Türen. Habe ich recht?«
Zephir ging weiter, ohne zu antworten.
Sie kamen wieder in den Saal der Ideen und schlugen nun den Gang ein, in dem grauer Staub schwebte. Er war nicht leer wie die anderen Gänge: Hier lag überall Schutt. Zunächst waren es noch kleine Brocken und Haufen, doch je weiter sie vorankamen, desto mehr lag im Gang und schließlich mussten die drei um große Bruchstücke von Mauerwerk herumklettern.
»Weißt du, was hier passiert ist?«, fragte Jason ihren Begleiter.
»Nein, nichts Genaues.«
»Und was weißt du über die Erbauer der Türen?«
»Ehrlich gesagt nicht besonders viel. Aber ich habe vor hin bei den anderen Bewohnern des Labyrinths ein biss chen herumgefragt. Das ist jetzt nur ihre Version, aber … Als beschlossen wurde, dass sie nicht mehr weitermachen durften, akzeptierten die meisten von ihnen das. Sie schlossen ihre Werkstätten und hörten auf, das Holz ihrer Bäume zu bearbeiten, um daraus Türen zu bauen. Eine kleine Gruppe aber wollte trotz des Beschlusses wei termachen.«
Sie krochen unter einem eingestürzten Bogen hin durch und gingen in einem Gangabschnitt weiter, in dem keine Trümmer herumlagen.
»Die Werkstätten waren hier«, fuhr Zephir fort. »Als deutlich wurde, dass diese kleine Gruppe von Erbauern entschlossen war weiterzumachen, schickte jemand … etwas. Und seitdem nennt man die Werkstätten ›die Zim mer des Schreckens‹.«
»Was schickte er?«
»Ein Ungeheuer. Ein furchtbares Monster«, antwor tete Zephir.
»Soll das heißen, sie schickten ein Monster aus, um sie zu töten?«
Zephir tat, als hätte er die Frage überhört.
»Was für ein Ungeheuer war das? Wie sah es aus?«
Der Riese schüttelte den Kopf. Er wusste es nicht. Aber im Grunde war das auch nicht die entscheidende Frage.
Die entscheidende Frage war, ob das Ungeheuer inzwischen tot war oder nicht.
Kapitel 20
Auf den Klippen
Deutlich zeichneten sich die Klippen von Salton Cliff gegen den dunklen Nachthimmel ab.
Wesentlich weniger deutlich waren die drei Gestalten zu erkennen, die auf einem Felsvorsprung knapp unterhalb des Randes der Klippen hockten.
»Halt mich gut fest!«, flüsterte gerade die kleinste der drei Gestalten der größten zu.
Von seinem großen Cousin gehalten,
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