Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten
beugte sich der kleine Flint weit vor, um hinunterzuschauen.
»Kannst du es sehen?«, fragte der große Flint, der den kleinen fest um die Taille gepackt hatte, aber den Kopf nach oben verdrehte, um nicht nach unten sehen zu müssen.
»Ja, da ist ein kleines Boot, aber nur eines, und sonst nichts.«
»Ein kleines Boot? Sie hatten von einem Wikingerschiff gesprochen«, meinte der große Flint, den Blick immer noch nach möglichst weit oben gerichtet.
»Vielleicht haben sie einfach ein bisschen übertrieben. Ich sehe jedenfalls nur ein kleines Boot.«
»Aber es muss doch wichtig sein, wenn dieser Voynich es auf keinen Fall sehen darf«, meinte der große Flint.
»Genau, das haben sie gesagt, daran kann ich mich auch erinnern«, bestätigte der mittlere Flint, der es sich auf der breitesten Stelle des Felsvorsprungs bequem gemacht hatte.
Der kleine Flint gab seinem großen Cousin ein Zeichen und kroch, immer noch von ihm gehalten, zu einer sichereren Stelle an der Felswand zurück. »Lasst uns überlegen, Cousins«, meinte er dann. »Warum könnte das kleine Boot da unten so wichtig sein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich auch nicht.«.
Nicht einmal der kleine Flint wusste es.
Nachdem er eine Weile überlegt hatte, sagte der kleine Flint: »Wir müssen uns einen Plan zurechtlegen. Und zwar sofort.«
»Ja, gute Idee«, bestätigte der große Flint.
»Und wo sollen wir hier mitten in der Nacht einen Plan hinlegen?«, fragte der mittlere Flint. »Es ist doch stockfinster, man kann gar nichts mehr sehen.«
»Bring sofort deinen Cousin zum Schweigen«, antwortete der kleine Flint. »Oder ich werfe ihn die Klippen hinunter.«
»Aber ich bin doch auch dein Cousin!«, protestierte der mittlere Flint.
»Halt bloß den Mund, sonst bringe ich dir das Fliegen bei!«
Der mittlere Flint schwieg gekränkt.
Der kleine Flint atmete tief durch. »Wir haben ja vorhin eine ganze Menge mitgehört. Einiges davon war sehr interessant, anderes weniger. Spannend fand ich zum Beispiel, dass morgen der Chef unserer Chefs hier in den Ort kommt. Ich meine den Chef von den beiden mit dem schicken Aston Martin.«
»Wer weiß, was der für ein Auto hat«, murmelte der große Flint und träumte von einem Ausflug in einer riesigen Luxuskarosse.
»Was zweitens für uns wichtig sein könnte«, fuhr der kleine Flint fort, »ist, dass die von uns Beschatteten einige Dinge vor ihm unbedingt geheim halten wollen. Dazu gehören zum Beispiel die Schlüssel, die sie in dieser Holzkiste aufbewahren und die sie ihm auf gar keinen Fall zeigen wollen. Und das Boot, das hier unter den Klippen festgemacht ist. Die Frage, die wir uns jetzt stellen sollten, ist: Warum?«
»Ja, warum?«
Das »Warum« blieb lange in der lauen Nachtluft hängen.
»Wir können ja eigentlich gar nicht wissen, warum sie diese Dinge geheim halten wollen, stimmt’s?«, fuhr der kleine Flint dann fort.
Die anderen beiden nickten.
»Aber wir könnten dafür sorgen, dass der Chef unserer Chefs sie zu sehen bekommt, oder?«
Die beiden anderen wussten nicht, ob sie jetzt nicken oder den Kopf schütteln sollten, weil sie keinen blassen Schimmer davon hatten, worauf das Gehirn ihres Trios eigentlich hinauswollte.
»Was ich damit sagen will«, fuhr der kleine Flint fort, »ist, dass es uns egal sein kann, warum sie geheim bleiben sollen. Wir werden uns darauf konzentrieren, sie daran zu hindern, diese Dinge zu verstecken.«
»Und wie sollen wir das anstellen?«, fragte der große Flint.
»Also, das ist mein genialer Plan«, sagte der kleine Flint zum großen gewandt. »Du gehst einfach zum Strand hinunter, klaust das Boot und ruderst hinüber zum Hafen …«
»Ey, warum ich?«
»… damit der Chef unserer Chefs es morgen sieht.«
»Ja, aber warum ich?«
»Wir müssen uns aufteilen, das ist doch klar. Und einer von uns muss das Boot klauen«, erklärte der kleine Flint ungeduldig. »Und wer von uns dreien kann am besten rudern?«
»Ich! Ich würde euch jederzeit abhängen!«
»Na eben!«, sagte der kleine Flint. »Deshalb gehst du jetzt die Treppe runter, nimmst das Boot und wartest unten am Strand auf uns«, ordnete der kleine Flint an.
»Und wir?«, fragte der mittlere Flint.
»Wir beide teilen uns auch auf. Du schleichst dich ins Gärtnerhaus und schnappst dir einen der Schlüssel aus der kleinen Holzkiste.«
»Welchen?«
»Das ist egal. Irgendeinen. Wenn wir Glück haben, werden sie es erst merken, wenn es schon zu spät ist.«
»Okay.«
»Und was machst
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