Ulysses Moore – Das Labyrinth der Schatten
habe.«
Sie bestellten zweimal Backfisch und einen Rhabarbertee. Dann rief Voynich die Bedienung zurück. »Ich habe es mir anders überlegt, ich möchte auch Fisch. Mit Kartoffeln!«
Während sie auf ihr Essen warteten, dachte er über die vergangenen Tage nach, über die Telefonate mit Eco und den Gebrüdern Schere. Und über all die Theorien, die er zur Ca’ degli Sgorbi, zu Morice Moreau, zur Familie Moore und zu diesem harmlosen Fischerdorf entwickelt hatte.
»Wir wollten ja noch über das Buch sprechen, Mister Voynich …« Mr Bolton räusperte sich. »Das wir eigentlich, genauer gesagt, ›Reisetagebuch‹ nennen sollten.«
Voynich nickte. Ob dieser nette Mr Bolton auch nur im Entferntesten ahnte, wie viele Jahre ihn dieses Buch beschäftigt hatte, wie viele schlaflose Nächte er damit verbracht hatte, sich dessen Existenz zu erklären? Und wie das Gespräch mit seiner Schwester auf einmal alles ins rechte Licht gerückt hatte? Er verdankte diesem Telefonat und seiner Rebellion die Erkenntnis, dass dieses Buch ein ganz besonderer Gegenstand war … der tatsächlich in ein Museum gehörte. Er beschloss, das Risiko einzugehen, den beiden freundlichen Herren etwas anzuvertrauen. »Dieses ›Reisetagebuch‹ hat mich beinahe wahnsinnig gemacht«, gestand er. »Und um zu begreifen, was es damit auf sich hat, habe ich sogar über einen Immobilienfonds unseres Klubs die Ca’ degli Sgorbi in Venedig gekauft und jemanden beauftragt, sie zu restaurieren.«
»Tatsächlich?«, fragte Mr Bolton, der innerlich zusammengezuckt war, als er das hörte.
»Das Einzige, was man über Morice Moreau mit Sicherheit weiß, ist, dass er dieses Haus in Venedig besessen hat. Ein inzwischen total heruntergekommenes Haus, von dem es heißt, dass es verflucht sei. Mitte des vorletzten Jahrhunderts wurde es teilweise durch einen Brand zerstört.«
»Na, hoffentlich war nicht ihr Klub daran schuld«, meinte Black Vulcano in scherzhaftem Ton.
»Nein, nein, uns gab es damals noch nicht. Zumindest nicht offiziell«, erwiderte Voynich ebenfalls in einem Ton, als scherze er. Aber er war nicht besonders interessiert daran, das Thema zu vertiefen. »Aber wir haben ungeheures Glück gehabt, denn die Restauratorin hat uns einen äußerst günstigen Kostenvoranschlag vorgelegt. Nur die Hälfte dessen, womit ich eigentlich gerechnet hatte!«
»Ein wahrer Segen also«, sagte Mr Bolton beherrscht und nahm sich vor, demnächst einmal mit seiner Frau über ihre Kostenvoranschläge zu reden.
»Ich dachte, ich würde in diesem Haus die Lösung finden. Ein verzweifelter Versuch, etwas Unfassbares zu fassen zu kriegen. Tatsächlich aber hat es nur dazu beigetragen, alles komplizierter zu machen.«
»Weil während der Restaurationsarbeiten ein weiteres Exemplar gefunden wurde«, ergänzte Mr Bolton. »Und gefunden hat es meine T… hat es dieses Mädchen.«
»Genau, die kleine Anita Bloom.«
»Aber zurück zu dem Buch und unserem Museumsprojekt«, sagte jetzt Mr Black, um zu verhindern, dass das Gespräch eine gefährliche Wendung nahm. »Sie hatten ja bereits gesagt, dass Sie sich mit unserer Idee anfreunden könnten. Und dass Sie nicht ganz abgeneigt wären, uns Ihr Exemplar zu überlassen.«
Vor Voynichs geistigem Auge tauchte eine Plakette mit einer Inschrift auf:
Großzügiges Geschenk von Marius Voynich, London
Und er stellte sich vor, wie die Museumsbesucher seinen Namen lasen. Er hörte beinahe schon, wie sie sich untereinander fragten: »Wer wird wohl dieser Marius Voynich sein? Wer ist diese geheimnisvolle Persönlichkeit?« Marius Voynich. Nicht Viviana. Er musste schmunzeln.
Der Backfisch war vorzüglich. Knusprig und schmackhaft. Und die Kartoffeln waren perfekt.
»Also«, sagte Mr Black. »Es ist vielleicht nicht die feine Art, bei einem so köstlichen Mittagessen darüber zu sprechen, aber … Wenn wir uns über den Preis einigen könnten …«
»Preis?«, fragte Voynich erschrocken.
»Ja, Ihr Preis für das Buch.«
Vor Voynichs geistigem Auge verwandelte sich die Plakettenaufschrift »großzügiges Geschenk von« in ein wenig schmeichelhaftes »unter großen finanziellen Opfern gekauft von«. »Oh nein!«, rief er aus und schüttelte heftig den Kopf. »Von einem Kauf war nie die Rede.«
»Sie müssen wissen, dass wir bereit sind, eine gewisse Summe zu investieren, um …« … um dich loszuwerden, hätte Black am liebsten hinzugefügt.
»Es geht mir nicht ums Geld«, erwiderte Voynich verärgert. »Ich verkaufe das
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